Glamourös

Gilles Leroys neuer Roman „Alabama Song“

Auf dem Buchcover ist der Arm und das Dekolleté einer Frau in einem roten Kostüm und langen roten Handschuhen zu sehen, die Hand eines Mannes im schwarzen Sacko hält ihre, Hollywood-Style. Das Cover hat etwas Laszives. Kitsch, der erste Eindruck. Effekterheischender Kitsch. Zielgruppe scheint die Rosamunde-Pilcher-Fraktion zu sein. Doch das Cover führt auf die falsche Fährte. Es geht in diesem Buch um das Glamourpaar der amerikanischen Literaturszene der Zwanzigerjahre, um Zelda und Francis Scott Fitzgerald. Die Roaring Twenties, das Jazz-Age, ein junges, mondänes, immer auf Messers Schneide lebendes Ehepaar umgeben von Schauspielern, Künstlern, Drogen, viel Alkohol und natürlich Sex in allen Facetten. Es steckt vieles drin in diesem Roman. Und Gilles Leroy kennt bei seinen Beschreibungen keine Verlegenheit, wenngleich seine Ausdrucksweise stimmungsvoll poetisch funktioniert: „Dann sage ich mir, ich stinke nach Liebe, man riecht es in meinem Kielwasser, ich bewege mich in einer Duftwolke von Liebessäften...“

Im vergangenen Jahr hat der französische Schriftsteller, Jahrgang 1958, den berühmtesten Literaturpreis erhalten, den Frankreich zu vergeben hat, den Prix Goncourt. Eine gewisse Popularität war und ist Leroys zwölftem Werk mit dem prägnanten Titel „Alabama Song“ also garantiert. Jetzt, ein Jahr später, ist der bereits in 25 Länder verkaufte Roman auch auf Deutsch erschienen. Fitzgerald ein früh gefeierter Star, Zelda eine durchtriebene Schönheit aus der Provinz. So zumindest die Ausgangssituation, bevor die beiden Hauptfiguren in ihre jeweiligen Abgründe schlittern. Die schildert Leroy mit gekonnter Eindringlichkeit aus der subtil nachempfundenen Perspektive der immer stärker in Depressionen verfallenden und schließlich aufgrund mehrerer Selbstmordversuche in der Psychiatrie landenden Zelda Fitzgerald, Muse, Autorin, Malerin, Tänzerin, die immer im Schatten ihres populären Mannes stand. Den adelte der nicht minder populäre Hemingway einst zum größten Schriftsteller „unter uns allen“. Hemingway selbst taucht im überwiegend fiktionalen, nur teils auf wahren Begebenheiten basierenden Text, wie der Autor in einer Nachbemerkung beteuert, unter verändertem Namen auf und pflegt ein bizarres erotisches Verhältnis zu Zeldas Ehemann. Das glaubt sie jedenfalls und malt sich pikante Szenen detailliert aus. Fitzgerald kommt nicht gut weg in „ihren“ Schilderungen. Er trinkt, stinkt und verwahrlost. „Man hört, wie die Männer pinkeln... Hinterher streicheln sie dir die Wange, buttern dir den Toast, und du küsst ihnen die Fingerspitzen, um ihnen zu danken. Wenn er besoffen ist, vergisst auch Francis, sich die Hände zu waschen.“ Und er nutzt und beutet seine Frau schamlos aus, publiziert sogar Texte unter ihrem Namen. In Zelda löst er schließlich nicht nur Suizidgedanken, sondern auch Mordgelüste aus. Sie ihrerseits pflegt ein Verhältnis mit einem französischen Flieger, den sie für ihre große Liebe hält, für den sie sich aber trotz allem von Fitzgerald nicht trennt.

„Alabama Song“ ist im Grunde ein Sommerbuch. Aber auch in der kälteren Jahreszeit bringt es diese Qualität gut rüber: Der Roman swingt und manchmal siedet seine Sprache auch in schwüler Hitze vor sich hin. Dann ist es wieder so glamourös wie der Glamour, der die Fitzgeralds umgibt. Schwer zu sagen, wie es um das Miteinander dieses Paares und um das Innenleben der scheiternden Heldin wirklich bestellt war. Leroy liefert ein überzeugend dramatisches Angebot, wie es hätte gewesen sein können. TOBIAS SCHWARTZ

Gilles Leroy: Alabama Song. Aus dem Französischen von Xenia Osthelder. Kein & Aber, Zürich. 235 Seiten, 19,90 Euro