Keine Angst vor Feldherr Obama

Mehr deutsche Soldaten für Afghanistan hatte der neue US-Präsident im Wahlkampf gefordert. Doch deutsche Außenpolitiker hoffen nun, dass Barack Obama von Berlin nur Geld für zivilen Aufbau will

VON ULRIKE WINKELMANN

Bis zu 8.000 weiteren US-Soldaten für Afghanistan verlangte Barack Obama im Wahlkampf – und dass die Nato, sprich auch Deutschland, ebenfalls aufstocke und stärker mitkämpfe. Da mussten die bundesdeutschen Außenpolitiker schon schlucken. Am Tag nach Obamas Wahltriumph setzen viele von ihnen erst einmal darauf, dass Obama nur scharf redete, um vom Konkurrenten John McCain nicht als „Taube“, als weltpolitisches Weichei angegriffen zu werden.

„Wir sollten uns jetzt nicht verrückt machen und glauben, gleich nächste Woche kommen hier die Obama-Emissäre eingeflogen und verlangen eine Truppenaufstockung in Afghanistan“, sagt der FDP-Außenpolitiker Werner Hoyer. „Dazu sind die Obama-Leute zu schlau. Die wissen doch auch, dass in Deutschland nächstes Jahr Wahlen sind.“

Ähnlich argumentiert die Grünen-Außenpolitikerin Kerstin Müller. „Man muss schon gucken, was war Wahlkampf und was nicht“, sagt sie. Nicht nur Deutschland, auch andere Länder hätten Parlamentsarmeen. Wo das Parlament einem Truppeneinsatz zustimmen müsse, gebe es keine schnellen Zusagen. Obama habe vor allem eines versprochen: mehr multilaterale Kooperation. „Das muss die Bundesregierung nutzen, um einen Strategiewechsel in Afghanistan herbeizuführen. Wir müssen den Amerikanern klarmachen, dass ihr ‚War on Terror‘ gescheitert ist“, sagt Müller.

Besonders viele Quellen sind es nicht, die Aufschluss darüber geben, was genau Obama von Deutschland verlangen könnte. Bei seinem umjubelten Auftritt im Juli in Berlin sagte er: Der Wiederaufbau Afghanistans müsse für die Nato, für die USA und Europa ein Erfolg werden. „Amerika kann das nicht alleine. Das afghanische Volk braucht unsere Truppen und eure Truppen, unsere Unterstützung und eure Unterstützung, um die Taliban und al-Qaida zu besiegen.“ Parallel dazu erklärte Obamas außenpolitische Chefberaterin Susan Rice in der deutschen Presse: „Die USA müssen mehr Geld und Truppen in Afghanistan stecken und die Nato auch – mit der weitestmöglichen Aufhebung der geltenden Beschränkungen.“ Damit dürfte gemeint gewesen sein, dass auch die Bundeswehr sich stärker am US-amerikanischen Krieg gegen den Terrorismus beteiligen solle: mehr Soldaten, auch im Süden des Landes, auch mit Kampfauftrag.

Davon will der SPD-Außenpolitiker Gert Weisskirchen erst mal nichts wissen. „Eins ist klar: Wir haben einen US-Präsidenten bekommen, der zuhört“, sagt er. Obama habe angekündigt, auch die zivilen Mittel für Afghanistan aufzustocken. „Man darf die Debatte darum nicht sofort wieder auf die militärischen Mittel verengen“, sagt Weisskirchen. Man müsse „auch selbst offen“ in neue Gespräche, neue transatlantische Beziehungen eintreten – „und nicht gleich Nein sagen“.

Zu Obamas Rede hatte Kanzlerin Angela Merkel bereits die Grenzen des deutschen Einsatzes eher betont als aufgeweicht. Die Union findet, dass die jüngste Erhöhung der Truppenobergrenze auf 4.500 Männer und Frauen sowie die Übernahme von Aufgaben, die auch aus dem Norden Afghanistans herausführen, bereits eine ganze Menge ist.

Skeptisch zeigt sich die Außenpolitikerin der Linksfraktion. Monika Knoche. „Man ist geneigt, Obama alles Positive zu unterstellen – auch dass seine Forderungen im Wahlkampf vielleicht nicht so gemeint gewesen sein könnten“, sagt sie. Nur hat sie von ihren Gesprächen mit US-Demokraten in Washington andere Eindrücke als ihre Kollegen mitgebracht. „Auch die Demokraten streben eine Führungsrolle der USA als Weltmacht an. Irak ist für sie der böse Krieg, Afghanistan aber der gute Krieg.“ Dass sie von Deutschland auch mehr militärischen Einsatz verlangten, „das war nicht nur Wahlkampftaktik“, sagt Knoche.