„Zuverlässig, Junior“

Katholisch, Pkw-Besitzer, zur Miete wohnend: Die Stasi-Akte zum Fall des ARD-Manns Wabnitz hilft nicht weiter

In Stasi-Unterlagen zu blättern hat immer etwas Beklemmendes. Da notierte sich ein System penibel nicht nur die Anzahl der Kinder, die politische Gesinnung und den Werdegang, sondern stufte auch gleich noch die Glaubwürdigkeit der Betroffenen ein, die – einmal angelegt – hinter Decknamen verschwanden. Und nicht selten nahm der DDR-Geheimdienst die Sache mit diesen Inoffiziellen Mitarbeitern (IM) sogar so wörtlich, dass die Menschen, für die die Karten und Akten standen, davon gar nichts wussten.

IM „Junior“ ist möglicherweise so ein Fall. Wie gestern berichtet, führt die Stasiunterlagen-Behörde den Decknamen inzwischen auf Bernhard Wabnitz zurück, der heute ARD-Reporter in Rom ist. Er selbst bestreitet mit aller Vehemenz, IM gewesen zu sein. Möglicherweise wurde er also ohne sein Zutun oder Wissen von der Stasi geführt und von Dritten abgeschöpft.

Jedenfalls liegt nun auch der taz die 51-seitige Akte des IM „Junior“ vor. Der wurde nach Aktenlage von der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA), dem Auslandsgeheimdienst der DDR, auf „ideologischer Basis“ angeworben. Eine Verpflichtungserklärung und vom IM gegengezeichnete Protokolle finden sich jedoch nicht.

Das allerdings darf nicht verwundern: Die HVA hat vor der Wende große Teile ihres Bestandes vernichtet. Was die Birthler-Behörde bisher hinter der Registernummer XV/992/82 entdeckt hat, sind lediglich stichwortartige Eingangsnotizen, also quasi ein Inhaltsverzeichnis, sowie Zwischenprotokolle, die die Stasi aus mehreren Ursprungsprotokollen zusammengefasst hat.

Laut Akte war „Junior“ damals Redakteur des Bayerischen Rundfunks, verheiratet, englisch- und italienischsprachig, Mieter in München und „Besitzer eines PKW“. Von „Junior“ sollen zudem gut ein Dutzend Mal Protokolle eingelaufen sein. In der Akte steht unter Quelle: „Zuverlässig, XV/992/82, Junior“.

Den Unterlagen zufolge hat „Junior“ keine Informationen über den Bayerischen Rundfunk und auch nicht über die ARD bereitgestellt, sondern Meldung über Vorgänge in der Politik erstattet, etwa „über die Situation in der CSU und deren Haltung zu aktuell-polit. Fragen im Vorfeld der Landtagswahl am 12. 10. 86 in Bayern“. Auch Interna über die katholische Kirche sollen Thema gewesen sein.

Nun hat die Stasi aber bekanntlich allerlei seltsame Dinge gemacht. Nicht auszuschließen also, dass „Junior“ vielleicht doch nur abgeschöpft wurde. Die Akten sagen zumindest: IM „Junior“ wurde am 1. März 1982 angelegt, galt als „vertrauenswürdig“ und lieferte seine ersten zwei Blätter zu Vorgängen in der hessischen CDU am 6. September 1982 ab. DANIEL BOUHS