Denkmuster aufbrechen

„Tatort“-Kommissar Martin Lüttge in der Hauptrolle: Norbert Kentrup besetzt in seiner Inszenierung von Shakespeares „Macbeth“ am Altonaer Theater die Protagonisten gegen den Strich und hofft auf eine Verschiebung der Perspektive

Für Hamburgs Theatergänger gibt es jetzt die Möglichkeit des direkten Vergleichs: Nachdem Andreas Kriegenburg den Macbeth am Thalia als widerwillig aufstrebenden Angestellten in einer kalten Bürolandschaft zeichnete, kommt der Königsmörder nun am Altonaer Theater als ganz anderer Typus auf die Bühne.

„Erst einmal den Text ganz genau lesen“, hat Regisseur Norbert Kentrup sich und seiner Dramaturgin Vanessa Schormann empfohlen. Die beiden verbindet seit mehreren Jahren ihre Sicht auf Shakespeare und das Theater seiner Zeit. Ihr ideales Theater ist Shakespeares „Globe“, jenes „hölzerne O“, das von drei Seiten einsehbar ist. Diese Bühne wurde 1998 in London rekonstruiert, und dort spielte Norbert Kentrup als erster Deutscher.

Kentrup hat durch das eigene Spiel und gut ein Dutzend Shakespeare-Inszenierungen reichlich Erfahrung mit den Maximen des Genius: Nur Tageslicht, kein Bühnenbild, wenige Requisiten. Hier geht es vor allem um den Text: Kentrup verwahrt sich gegen jedes halbherzige kriegenburgsche Umschreiben, sondern stützt sich auf Maik Hamburgers Neuübersetzung. Außerdem setzt der Regisseur auf Interaktion mit dem Publikum: Die unmittelbare Ansprache ist Kentrup wichtig. Er will das Publikum aus seiner Theaterpassivität locken, statt es bloß konsumieren zu lassen: „Das ist doch die grundlegende Frage, ob ich mich auf jemanden zubewege.“ Hinter Pseudo-Empfindungen sollen sich die Zuschauer nicht verschanzen können.Und deshalb vergleicht das Team seine Art des Theatermachens mit einem Stadionbesuch, nur dass nicht mitgegrölt werden muss. Aber ein „Oh, nein!“ wenigstens mit denken – damit wäre schon viel bewirkt.

Die Hauptrolle hat Kentrup mit Tatort-Kommissar Martin Lüttge und damit verwirrend positiv besetzt. Für Kentrup war der von Ehrgeiz und Wahnsinn getriebene Macbeth immer ein hinterhältiger Schlächter. Gegen diese Verkürzung lässt er Lüttge, den „Guten“, jetzt anspielen. Dieses Aufbrechen von Denkmustern hat sich Kentrup für das gesamte Stück vorgenommen: Wo hört Realität auf, wo fängt die Phantasie an?

„Das hat etwas mit Verabredung zu tun“, ist Kentrup überzeugt. Für ihn sind die wahrsagenden Hexen so real wie der Glaube an Horoskope und ein Kanzler, der in Gummistiefeln die Wahl gewinnt. Bei ihm ist der Zuschauer mal Verbündeter, mal Täter, mal Opfer, aber immer Teilnehmer. Die Schauspieler sind ganz nah mit ihren Eigenarten und Lügen: „Hier funktioniert kein distanzierter Knopfdruck wie bei Superstar Alexander“, verspricht der Regisseur.

Liv Heidbüchel

Premiere: Sonntag, 16.3., 19 Uhr, Altonaer Theater