Der Duft von Hasch und Überfällen

Deutsch-italienische Exploitation bei Emmis Trash Night im 3001: Am Freitag gibt es neben Ray Nazarros „Einer frisst den anderen“ mit „Blutiger Freitag“ von Rolf Olsen einen Höhepunkt des 70er-Jahre-Filmschaffens zu sehen

„Also: Hemmungen – null, Rücksicht – null!“ Wo Raimund „Seebär“ Harmstorf hinlangt, wächst kein Gras mehr. Lederjeans, Rollkragenpullover, Vollbart, Sonnenbrille und Zigarillo in der Fresse: Kaum jemand hat das lumpenproletarisch krachende Macho-Ideal der Apo-Männer-Generation zwischen Jim Morrison, Django und Andreas Baader besser verkörpert, als Harmstorf in Rolf Olsons deutsch-italienischem Exploitation-Meisterwerk Blutiger Freitag (1972). Denn bevor er sich in seiner Rolle als Bandenchef „Heinz Klett“ auf eine „Bolzerei“ mit einem „Kapitalistenschwein“ einlässt, zieht er sich schnell noch einmal die Lederhandschuhe über.

Und geschossen werden darf hier die ganze Zeit. Der von Tränengas und Hasch geschwängerte Duft von „Anarchismus“, Twen-Pin-Ups und von „Bank überfallen“ liegt in der Luft, und wem das nicht passt, für den hält das Drehbuch immer noch ein paar flotte Sprüche zum Nachtreten bereit: „Dann macht doch weiter in eurem Sklavendasein!“ Eben. Und was für eine Entwicklung hätte das deutsche Genre-Kino nehmen können, hätte man damals Leuten wie Roland Klick, Klaus Lemke oder auch Rolf Olsen mehr Möglichkeiten gegeben ...

In einer Zeit, als die Polizei mit dem Käfer die Verfolgung aufnahm, Transporter „pünktlich wie die Bundesbahn“ verkehrten und es nur ein kleiner Schritt vom gewalttätigen Sozialrevolutionär zum vergewaltigenden Sozialdarwinisten war, griff der St. Pauli- und Skandal-Filmer Olsen (Wenn es Nacht wird auf der Reeperbahn, 1967; Käpt‘n Rauhbein aus St. Pauli, 1971) eine Tendenz auf, die in der öffentlichen „Baader-Meinhof“-Hysterie nur politisch kulminierte: die Welle von bewaffneten Raubüberfällen, die Mitte der 60er Jahre die postnazistische Friedhofsruhe der Wirtschaftswunderjahre und der Sozialpartnerschaft nachhaltig erschütterte. In seiner vor visuellen Einfällen überbordenden Pop-Sensibilität erinnert Blutiger Freitag dabei an Roland Klicks Supermarkt (1973), in seiner Psychologie der Geiselnahme an Sidney Lumets Dog Day Afternoon (1975). Doch Olsens Version ist ungleich blutiger: Was den Gore-Faktor angeht, kann sich Blutiger Freitag mit jedem Italo-Western messen.

Nach seiner Befreiung aus dem Knast plant Heinz Klett mit dem frustrierten „Chiantibrunzer“ Luigi (Gianni Macchia), dessen deutscher Freundin Heidi (Christine Böhm) und ihrem Bruder, dem Bundeswehrdeserteur Christian (Amadeus August) das große Ding. Zunehmend geraten die Dinge aus dem Ruder; die Romantik des Gesetzesbruchs verliert sich am Ende – einer cheesy Bonnie and Clyde-Hommage – in einer Spirale der Gewalt. Als ein Polizist von einer Handgranate in einer legendären Special-Effects-Szene zerfetzt wird, kann Harmsdorf noch hämisch höhnen: „Ein Polizist ist auf einen Knallfrosch getreten – Berufsrisiko!“ Doch anders als bei Lumets Klassiker, fordern wenig später aufgebrachte Bürger in einer pseudodokumentarischen „Stammheim“-Szene die Wiedereinführung der Todesstrafe, statt zu applaudieren – Teil des Berufsrisikos für „Groschenexistenzen“ in einer Bundesrepublik, die 1972 so postnazistisch offensichtlich doch nicht war. Heute diskutiert man „nur“ noch über die Einführung der Folter. Tobias Nagl

Freitag, 23 Uhr, 3001