Frust über Staats-TV

Chinesische Studenten plaudern bei amerikanischem Kuchen über die Wahl und über wichtigere Dinge

PEKING taz ■ Lou Huanqing, 19, und seine Freundin Wan Xinyi, 20, schwänzen an diesem Tag ihre Vorlesung über Algorithmen. Li Yuqiao, 26, Student der Finanzwirtschaft, steht ungewöhnlich früh auf. Cheng Han, 19, studiert internationale Beziehungen und hat sich diesen Morgen schon seit langem freigehalten.

Nun aber sind alle enttäuscht. Im Studentencafé Banmutang nahe der Peking-Universität flimmert ein Kochkurs über den Flachbildschirm. „Das Staatsfernsehen will uns die demokratische Kultur Amerikas vorenthalten“, sagt Wan.

Also essen die Studentinnen und Studenten ihre Frühstücksteller mit Reis und Rindfleisch leer und ziehen auf der Suche nach einer Drahtlos-Verbindung ins nächste Starbucks-Café um. Lou klappt seinen Laptop auf, geht auf Sina.com online. Endlich gibt es die Wahlergebnisse aus den USA im Minutentakt.

Die Frauen Wan und Cheng sind entzückt: Sie finden, Obama sei gut aussehend, ein feinfühliger Typ und respektvoll gegenüber anderen Kulturen. Die Männer Lou und Li aber lachen nur. „Unmöglich, dass Obama den Niedergang der USA aufhält“, sagt Lou, dazu hätten die Amerikaner schon zu viel von ihrer Zukunft per Kredit konsumiert. Sagt es und bestellt teuren amerikanischen Kuchen mit Kaffee.

Bald reden die vier über die Finanzkrise, den Kapitalismus und den Kommunismus. Der frisch gebackene künftige US-Präsident kommt nicht mehr vor. Die vier jungen Leute glauben, über Wichtigeres zu sprechen. Obwohl sie extra alle früh für die Wahlen aufgestanden sind.

GEORG BLUME