Wer schwänzt, hat es schwer

Der Umgang mit Schulverweigerern reicht von drakonischen Maßnahmen bis hin zu intensivem Coaching. Jetzt aber stehen die Bremer „Kidz“-Projekte für extrem „Schuldistanzierte“ auf der Kippe

Von Henning Bleyl

In Bremen gibt es etwa 500 so genannte Schulverweigerer: SchülerInnen, die – aus den verschiedensten Gründen – mindestens 20 Tage lang nicht zum Unterricht erscheinen. Die besonders hartnäckigen Fälle werden seit Mitte der 90er Jahre in den „Kidz“-Projekten betreut. Die Abkürzung steht für „Kreativ in die Zukunft“, doch mit letzterer sieht es jetzt düster aus: Die Stellen der dort arbeitenden SozialpädagogInnen werden nicht länger finanziert.

Hintergrund ist die Absenkung der Mittel, die Bremen aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) zur Verfügung stehen. Damit wurden bislang sowohl die achtköpfigen Kidz-Gruppen mit ihren 16 bis 17 Jahre alten TeilnehmerInnen als auch Projekte mit minderjährigen Müttern finanziert, die einen Schulabschluss machen beziehungsweise eine Ausbildung abschließen sollen. Die Schulverweigerer sind jetzt doppelt gekniffen: Weil die ESF-Gelder wegfallen, konzentriert die Bremer Jugendhilfe ihre Mittel auf die Mütterprojekte, um wenigstens diese einigermaßen über die Runden zu bringen. „Dort geht es um das doppelte Kindswohl“, erklärt eine Mitarbeiterin die Prioritätensetzung, schließlich seien die Mütter selbst noch Kinder.

Natürlich bestreitet niemand den dringenden Unterstützungsbedarf auch der „Kidz“-Klientel, für die die im kommenden Jahr zwar noch Lehrpersonal, aber keine soziale Betreuung mehr vorhanden ist. Dabei gilt diese als unerlässlich: Während für die jüngeren Schulverweigerer in den Parallel-Projekten „Strickleiter“ und „Plan B“ eine Reintegration in den Unterricht angestrebt wird, geht es bei „Kidz“ von vornherein um dauerhafte Intensivbetreuung in Verbindung mit Werkstattarbeit. Nun suchen Bildungs- und Sozialbehörde, nebst freien Kooperationspartnern die Träger von „Kidz“, nach Lösungen. „Wir setzen sehr auf aufsuchende und unterstützende Schulverweigerer-Projekte“, versichert Bildungssprecherin Karla Götz.

In der Tat gehört Bremen diesbezüglich nicht zu den Hardliner-Bundesländern. In Hamburg hat die Schulbehörde seit 2006 fast 2.000 Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen die Eltern von „Schuldistanzierten“ eingeleitet, auch SchülerInnen selbst können ab 14 Jahren zur Zahlung eines Bußgeldes von durchschnittlich 75 Euro verpflichtet werden. Wird nicht gezahlt, werden gemeinnützige Arbeiten an den Schulen fällig. In Berlin fordert die CDU, ein Zentralregister für Schulschwänzer einzurichten und deren Eltern gegebenenfalls die Sozialleistungen zu kürzen. Die schärfste bislang verhängte Sanktion ist ein zweiwöchiger „Ungehorsamsarrest“ für eine 16-Jährige in Görlitz.

In Bremen hingegen werden Bußgelder in aller Regel nur gegen Eltern verhängt. 60 Verfahren sind derzeit anhängig, 30 davon gegen Eltern, die ihre Kinder zwecks Ferienverlängerung nicht zur Schule schicken. Pro Elternteil werden dann 120 Euro fällig. Im Fall der inzwischen ausgewanderten Homeschooling-Familie Neubronner ging das Bildungsressort allerdings so weit, die Familienkonten sperren zu lassen. Derzeit versucht das Ressort, gerichtlich eine Erzwingungshaft gegen einen Vater zu erstreiten, der hartnäckig die Bußgeldzahlung verweigert.

Ein solches Vorgehen sei „ein absoluter Einzelfall“, betont Götz. Lieber verweist sie auf die „intensiven Coaching-Projekte“, die unterstützt werden müssten. Auch „Kidz“ gehöre dazu: „Wir schätzen diese Arbeit sehr.“