Neues Spiel

Hessens SPD fürchtet Neuwahlen, Grüne und Linke sind dafür, FDP und CDU wollen reden. Eine Jamaika-Koalition ist dennoch nicht ganz vom Tisch

AUS WIESBADEN KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Die Mitglieder der Regierung Koch bezogen gleich am Dienstag wieder die ihnen verfassungsmäßig zustehenden Dienstzimmer, die sie bereits zur Übergabe leergeräumt hatten. Und auch Roland Koch selbst, der 24 Stunden nach dem SPD-Debakel auf jede provokante Geste und jedes Triumphgeschrei verzichtete, sagte den bereits bestellten Möbelwagen für die Räumung der Dienstvilla auf einem der Wiesbadener Sonnenhügel wieder ab.

„Koch hat das Heft des Handelns wieder in der Hand“, musste denn auch der Generalsekretär der hessischen SPD, Norbert Schmitt, einräumen. Jetzt will er zumindest den von den Grünen angeschobenen Zug in Richtung Neuwahlen aufhalten. Es sollten „keine überstürzten Entscheidungen“ getroffen werden, meinte er. Die SPD brauche Zeit, um die neue Situation „ruhig und besonnen analysieren“ zu können. Und mit Blick auf die vier Abweichler sagte Schmitt, dass es die SPD in Hessen „nicht zulassen wird, dass am Ende diejenigen faktisch den Kurs bestimmen, die uns monatelang getäuscht haben und sich in maßloser Selbstüberschätzung über das 95-Prozent-Votum eines Parteitages hinwegsetzten“. In den Heimatkreisverbänden der Renegaten wurden denn auch Parteiausschlussverfahren beantragt. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Helga Lopez aus dem Lahn-Dillkreis spekulierte sogar empört in einem Interview mit der Wetzlarer Neuen Zeitung über mögliche Bestechung durch die Energiewirtschaft als Grund für die plötzliche Umentscheidung von zumindest drei der vier Abweichler.

Die Stimmen der 42 SPD-Abgeordneten im Landtag werden für einen eventuellen Beschluss zur Auflösung der Volksvertretung und damit für die Ausschreibung von Neuwahlen allerdings nicht gebraucht. Landtagsfraktion und Landesvorstand der Grünen sprachen sich schon am Montagabend für Neuwahlen aus. Einen formalen Beschluss darüber soll der Parteirat am kommenden Samstag fassen. Und die Grünen sind sich bei der Schuldzuweisung für den gescheiterten Politik- und Regierungswechsel einig: „Die SPD trägt erneut die Verantwortung dafür, das der dringend notwendige Wechsel etwa in der Bildungs- und in der Umwelt- und Energiepolitik sowie ein sozial gerechtes Hessen weiterhin nicht verwirklicht werden können“, konstatierte der Politische Geschäftsführer der Grünen, Kai Klose.

Stimmen auch die Abgeordneten von CDU und FDP für die Auflösung des Landtages – möglich wäre das schon Mitte November –, könnte es schon im Januar zu Neuwahlen kommen. Auch die Linke hätte nichts dagegen. Die Partei spekuliert auf einen Zugewinn an Stimmen durch enttäuschte Wähler der SPD. Die SPD habe schließlich jetzt „bewiesen“, dass sie „zwei Parteien in einer ist“, meinte Linken-Fraktionschef Willi van Ooyen süffisant. Parteichefin Ulrike Eifler rief denn auch linke Sozialdemokraten „zum Übertritt in die Linke“ auf.

Doch noch sind Neuwahlen keine beschlossene Sache. FDP-Chef Jörg-Uwe Hahn nämlich bittet seine Kollegen von CDU und Grünen, Koch und Tarek Al-Wazir, noch einmal zu einem Gespräch „unter sechs Augen“. „Wir drei haben nun eine besondere Verantwortung für unser Bundesland wahrzunehmen“, schrieb Hahn in einem schon am Montag gleich nach der Pressekonferenz der SPD-Abweichler verschickten offenen Brief. Ein letzter, aber wohl doch vergeblicher Versuch, den Wählerwillen vom Januar zu respektieren und kurz vor Toresschluss doch noch eine ordentliche Landesregierung zu bilden.

Al-Wazir nämlich hat „Jamaika“ gleich danach erneut als „unwahrscheinlichste aller Optionen“ bezeichnet, will sich aber dennoch mit Hahn und Koch zum Kaffeeplausch treffen. Auch Koch will kommen – und separat die Spitze der SPD konsultieren. Die große Koalition ist schließlich auch noch immer eine – rein rechnerische – Alternative für den geschäftsführenden Regierungschef, der ab Januar ganz ohne Haushalt dastehen wird, falls es nicht bald zu einer Entscheidung kommt.

Der Chef der Staatskanzlei Kochs, Dirk Metz, jedenfalls, der ebenfalls seine schon gepackten Umzugskisten wieder auspackte, drängt auf eine Lösung „spätestens bis zum 18. November“. Dann ist Plenarwoche im Landtag. Und Gelegenheit zu seiner Auflösung. Aber auch zur Wahl von Koch zum dann wieder ordentlichen Ministerpräsidenten. Was sagt Metz dazu? Der Schalke-Fan grinst ein bisschen und meint: „Würden Sie in Bezug auf Hessen noch irgendetwas ausschließen wollen?“