Lebst du nur oder verdienst du schon?

Das schwedische Möbelhaus Ikea erhöht die Löhne für das Kassenpersonal. Das zahlt sich auch für den Konzern aus

Die Kunden loben den freundlichen Service, und die Schlangen vor den Kassen sind kürzer

KOPENHAGEN taz ■ Lohnerhöhungen sind ein gutes Geschäft für Arbeitgeber. Diese Bilanz zieht Ikea-Dänemark in einer ersten Auswertung der Effekte einer Aktion, die zunächst wie einer der üblichen PR-Gags des Konzerns aussah. Am 1. Juni letzten Jahres erhöhte der dänische Ableger des schwedischen Möbelriesen die Löhne für die zehn Prozent seiner Angestellten, welche hinter der Kasse sitzen, schlagartig um 25 Prozent.

Angestellte im dänischen Handel verdienen per Tarif umgerechnet rund 2.000 Euro – so war das früher auch bei Ikea. Seit gut einem halben Jahr bekommt das Kassenpersonal nun 2.500 Euro pro Monat. Keine längeren Arbeitszeiten, nicht weniger Urlaub: Die Arbeitsbedingungen haben sich nicht verändert.

Ikea versäumte natürlich nicht, mit großem Trommelwirbel auf diese Aktion hinzuweisen. Auf Plakaten und in Zeitungsanzeigen verkündete der schwedische Konzern gleich ein Ende der Epoche, in der die Arbeit der „Kassendamen“, wie dieses Personal in Dänemark unabhängig vom Geschlecht gemeinhin genannt wird, als Billigjob unterbewertet worden sei. Hier habe ein Unternehmen nämlich im Gegenteil die wichtigsten und verantwortungsvollsten Arbeitsplätze. Schließlich seien sie das Aushängeschild nach außen.

Die Konkurrenz reagierte sauer, beruhigte sich aber schnell damit, Ikea habe wohl auch kein Geld zu verschenken. Deshalb werde die Geschäftsleitung schon zur Vernunft kommen und nach einigen Monaten stillschweigend zum Tariflohn zurückkehren. Weit gefehlt.

Denn jetzt verkündete Peter Steenberg, Verkaufschef von Ikea-Dänemark in einer Zwischenbilanz nach sechs Monaten: „Die Lohnerhöhung ist ein Überschussgeschäft für uns.“ Ikeas interne Auswertung habe ergeben, dass das Personal, das man durch die Lohnerhöhung anlocken konnte, auch einen wesentlich besseren Service liefere.

Die KundInnen hätten die freundlichere Bedienung gelobt und die Schlangen vor den Kassen seien trotz gleicher Personalbesetzung viel kürzer geworden. Außerdem werde gründlicher gearbeitet und das Unternehmen spare Ausbildungskosten, weil es weniger Wechsel gebe. Und aus den Bewerbungen könne sich der Konzern jetzt die Rosinen herauspicken: „Der Stoß an Bewerbungen ist markant gewachsen, seit wir die Löhne erhöht haben.“ Zu guter Letzt gebe es aufgrund einer „besseren Angestelltenmischung“ ein zufriedeneres Arbeitsklima.

Da die Gleichung „höherer Lohn gibt mehr Motivation“ aller Vermutung nach nicht auf das Kassenpersonal beschränkt ist, werde nun untersucht, so Steenberg, ob auch der Rest der Warenhausangestellten mit einer Lohnerhöhung rechnen kann: „Wir wollen aber erst noch sechs Monate warten, um sicher sein zu können, ob wirklich alles so rosarot ist.“ Dann werde sich auch entscheiden, ob das Modell nach Deutschland und in andere Länder exportiert werde. Es müsse sich eben rechnen.

Die Gewerkschaft der Handelsangestellten freut sich. Die für die Tarife verantwortliche Anja Bentzen will das Ikea-Beispiel in die jetzt anstehenden dänischen Lohnverhandlungen einbringen. Bei den Arbeitgebern gibt man sich allerdings zugeknöpft. „Wenn Ikea meint, das sei gut für sie, dann mischen wir uns da nicht ein“, blockt deren Sprecher Laurits Rønn jegliche Diskussion über eine mögliche Modellwirkung ab.

Tatsächlich herrschen ansonsten in Dänemark derzeit andere Sitten: So akzeptierte die Angestelltengewerkschaft erst am Dienstag dieser Woche zähneknirschend eine zehnprozentige Lohnkürzung für mehrere Hundert TelefonverkäuferInnen der Fluggesellschaft SAS. Die Alternative wäre die Kündigung und eine Verlegung der gesamten Abteilung nach Estland gewesen.

REINHARD WOLFF