Schuften für den Frieden

Knochenarbeit und politische Diskussionen. Auch dabei kann man sich erholen. Zumindest bei einem Workcamp auf einemHof in Nordirland, wo katholische und protestantische Kinder das friedliche Zusammenleben proben. Ein Erfahrungsbericht

„Für mich ist das die beste Art zu reisen“, versichert Maria in gebrochenem Englisch

VON SONJA TAMMEN

Auf der Wiese nehmen Kinder kreischend vor dem dicken Borstenschwein Reißaus. Ein paar Meter weiter tobt ein Baseball-Turnier. Ferien auf dem Bauernhof eben. Das Besondere für Nordirland: Die Kinder stammen sowohl aus katholischen als auch aus protestantischen Familien. Im Glebe House an der Ostküste fragt keiner, welche Religion ein Kind hat.

Die 47-jährige Systemadministratorin Maria aus dem Baskenland ist eine von sechs Teilnehmern eines Workcamps, die derzeit in der Kinder- und Jugendbegegnungsstätte helfen, den Hof aufräumen und sich um die Kinder kümmern. Unsicher führt sie einen Esel am Zügel, während die kleine Caroline aufgeregt im Sattel hin und her rutscht. „Für mich ist das die beste Art zu reisen“, versichert Maria in gebrochenem Englisch, „so lerne ich viel über das Land und die Menschen.“

Jedes Jahr in den Sommermonaten reisen Freiwillige aus allen Teilen der Welt an, um das Projekt mit ihrer Arbeitskraft zu unterstützen. Manche kommen nur für eine Woche, andere für Monate. Gemeinsam mit den acht festen Mitarbeitern wird sechs Stunden am Tag gearbeitet. Dafür ist die Unterkunft frei.

Derzeit wird der Hof entrümpelt und aufgeräumt. Ob Hühnerställe, Tische oder Spielgeräte – anscheinend alles soll an einen anderen Ort. Was haben die bloß mit all dem Zeug gemacht, stöhnt der 19-jährige Sem aus Brüssel, während er Schrottmöbel und Bretter aus dem Schuppen zur Feuerstelle schleppt, wo sie verbrannt werden. Aber der Job ist dem Studenten immer noch lieber, als beispielsweise wie andere Freiwillige den Hof zu schrubben oder im Garten Unkraut zu jäten.

Endlich „teabreak“. Alle zwei Stunden sitzen die Erwachsenen bei Tee, Kaffee und Keksen zusammen, reden über die Arbeit, die politische Situation in Nordirland oder darüber, ob man abends ins Pub oder lieber an den nahe gelegenen Strand geht.

Die 36-jährige Journalistin Katja aus Hamburg ist über die Bonner Zweigstelle von SCI (Service Civil International) zum Glebe House gekommen, eine der wenigen Organisationen, die gegen eine Gebühr nicht nur Jugendliche und Studenten, sondern auch Erwachsene in solche Kurzzeit-Workcamps vermittelt: „Wenn man einen Job hat, bleibt einfach nicht so viel Zeit, andere Länder kennen zu lernen – ich kann schließlich nicht einfach für ein Jahr aussteigen“, meint Katja, „insofern ist dieses Angebot echt Klasse.“

Die Glebe-House-Mitarbeiter wollen Barrieren zwischen den Communitys abbauen. Der Gedanke: Wenn Protestanten und Katholiken als Kinder miteinander spielen, kommen sie vielleicht auch als Erwachsene besser miteinander aus. „Die meisten Menschen in Nordirland wollen Frieden“, ist der Centre-Manager Diarmaid McGarrigle überzeugt.

Das Projekt genießt bei Eltern und Kindern einen guten Ruf. Besonders beliebt sind die Tiere: Esel, Ponys, Schweine, ein Schaf und jede Menge Federvieh zum Anfassen. Und auch für die Erwachsenen aus Hamburg oder Brüssel ist es ein Erlebnis, wenn ein Küken schlüpft.

Vom Sinn des Projekts sind alle Teilnehmer des Workcamps überzeugt. „Was ist falsch daran, wenn Kinder aus gesellschaftlich verfeindeten Gruppen miteinander spielen“, fragt Katja, „Glebe House ist ein wichtiges Steinchen im nordirischen Friedensprozess.“