Etwas Hoffnung in Guantánamo

US-Behörden wollen einige Kriegsgefangene aus Afghanistan in ihre Heimatländer zurückführen, wenn sie Bürger europäischer Staaten sind. Sie wollen jedoch Gerichtsverfahren. Schweden kritisiert US-Menschenrechtsverletzungen

aus Stockholm REINHARD WOLFF

Die USA wollen einen Teil der während des Afghanistankrieges verhafteten und auf dem kubanischen US-Stützpunkt Guantánamo festgehaltenen Gefangenen entlassen. So berichteten jedenfalls am Wochenende mehrere skandinavische Zeitungen. Offiziell wollte Schwedens Außenministerin Anna Lindh keinen Kommentar dazu abgeben.

Auf Bewegung in der Gefangenenfrage deutet eine Rundreise von Pierre Richard Prospers, US-Beauftragter für Menschenrechte und Kriegsverbrechen, durch mehrere europäische Staaten hin. Er beginnt diese am heutigen Montag in Kopenhagen und wird im Laufe der Woche unter anderem auch Stockholm und London, Brüssel und Paris besuchen. Prosper soll abklären, wie die Strafverfolgung von Gefangenen nach ihrer Rückführung in ihre europäischen Heimatländer vonstatten gehen wird. Offenbar will Washington Garantien für die Durchführung derartiger Strafverfahren haben.

In einem am Samstag veröffentlichten Gespräch, das ein Journalist der Kopenhagener Tageszeitung Politiken in Guantánamo mit dem Leiter des Gefangenenlagers, General Geoffrey D. Miller führte, bestätigte dieser nur, dass man möglicherweise Gefangene entlassen werde, „die zusammengearbeitet haben“. Laut Politiken ist in Guantánamo ein neues „humaneres“ Lager mit dem Namen Camp 4 eingerichtet worden, das Platz für insgesamt 200 Gefangene habe. Dort sollten die Häftlinge untergebracht werden, die vor der Entlassung stehen. Derzeit seien bereits rund 20 der insgesamt etwa 625 Gefangenen aus 40 Ländern ins Camp 4 verlegt worden. Die USA will so offenbar internationaler Kritik begegnen.

Wegen angeblicher Mitgliedschaft in oder Zusammenarbeit mit al-Qaida werden die Gefangenen seit mehr als einem Jahr ohne formale Anklage oder Möglichkeit einer Rechtsvertretung auf Guantánamo festgehalten. Rotes Kreuz, amnesty international und Human Rights Watch haben die USA mehrfach aufgefordert, die Gefangenen nach den Bestimmungen der Genfer Konvention für Kriegsgefangene zu behandeln. Da der Krieg in Afghanistan zu Ende sei, dürften diese nicht länger ohne Anklage festgehalten werden.

Vor einem Monat hatte die Regierung in Stockholm in einem formellen Begehren US-Präsident Bush aufgefordert, den schwedischen Staatsbürger Mehdi Muhammed Ghezali freizulassen. Der 23-jährige Ghezali war unter ungeklärten Begleitumständen im Grenzgebiet zwischen Afghanistan und Pakistan festgenommen worden. Unbekannt ist, was ihm vorgeworfen wird. Sein Vater schloss sich aus Protest in einen Gitterkäfig, ähnlich der in Guantánamo gebräuchlichen, ein. Ministerpräsident Göran Persson warf den USA vor, das Verhältnis zu Schweden und der EU zu belasten und die Rechtssicherheit zu verletzen. Erwarte Washington eine Unterstützung im Kampf gegen den Terror, müsse es erst einmal selbst „das Völkerrecht respektieren“.