… der 9. November 1938?
: An Plakatwänden abhängen

Einen ungewöhnlichen Anblick bieten seit Montag diverse Berliner Plakatwände: schwarz-weiß statt bunt, politisch statt kommerziell, düster statt fröhlich. Es geht um den 9. November 1938, die Nacht, in der die Zerstörung der jüdischen Geschäfte als Generalprobe für den Holocaust fungierte. Und die nicht in Vergessenheit geraten soll.

Deshalb haben sich der Handelsverband Berlin-Brandenburg, der Ver.di Landesbezirk Berlin-Brandenburg und das Centrum Judaicum zusammengetan, um mithilfe eines Plakats mahnend daran zu erinnern. Es gibt zwei Motive, zu sehen ist jeweils das historische Foto eines Passanten, der die eingeschlagenen Scheiben eines jüdischen Geschäfts betrachtet, dazu das besagte Datum sowie der Slogan „Berlin erinnert sich“.

Doch woran erinnern wir uns noch mal, 9. November 1938? Das Plakat verzichtet auf einen erklärenden Text, auf einen konkreten Sinnbezug hinter dem Slogan. Kein Wort zu Pogromen, kein Wort zu Gewalt. Und es steht zu befürchten, dass nicht jeder das Foto und das Datum automatisch mit den organisierten Nazi-Übergriffen in Verbindung bringt.

Magnus Hengee, der das Plakat entworfen hat, sagt zur Erklärung, das bekannte Stichwort „Reichkristallnacht“ sei etwas problematisch gewesen. Klar, der Begriff Reichskristallnacht ist inzwischen als verharmlosende Vokabel anerkannt und entsprechend tabuisiert.

Aber man hätte ja auch ein anderes Wort finden können, mit dem viele Leute etwas verbinden – zum Beispiel „Reichspogromnacht“. Denn ohne jegliche Erklärung lässt das gut gemeinte Plakat einige wohl ziemlich ratlos zurück. Ähnlich wie die Passanten auf dem Plakat. Die sind damals bekanntlich einfach weitergegangen. MOD

FOTO: RATSCHLAG FÜR DEMOKRATIE