Das Geheimnis von Calvins Käsebrötchen

Eine wissenschaftliche Mitarbeiterin der Oldenburger Uni macht Geschäftsleuten das Leben leicht. Sie hat ein Handbuch verfasst, das in knapper Form über die Gepflogenheiten in unseren westlichen Nachbarländern informiert

aus OldenburgChristoph Kutzer

„Mittachmahl!“ – der Lockruf der Häuptlingsgattin Kantine vermittelte Asterix-Lesern bereits 1979 das innige Verhältnis der Belgier zu gutem und reichlichem Essen. Dass die dort geschilderten ausufernden Bankette im Kern durchaus realitätsnah sind, belegt Ute Schürings‘ Buch „Zwischen Pommes und Praline“. Kein kulinarischer Führer, sondern ein Vademecum, das in komprimierter Form über die Gepflogenheiten in den Niederlanden, Belgien und Luxemburg informiert – nicht nur was Speis und Trank betrifft. „Auf geschäftlicher Ebene kommt es häufig zu Missverständnissen“, erklärt die Journalistin, die derzeit an einer Doktorarbeit über Berlinbilder in der niederländischen Literatur arbeitet. „Die Folgen lassen sich dort nicht so leicht ausbügeln wie auf privater Ebene und können eine Menge Geld kosten.“ Das leuchtet ein.

Schürings schrieb vier Jahre lang für die deutsche Ausgabe der „Monde diplomatique“. Seit 2002 arbeitet sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Oldenburger Universität – im Fachbereich Niederlandistik. Ihre eigenen Erfahrungen mit den westlichen Nachbarn beschreibt sie als unproblematisch. Symposien des Bonner Zentrums für Europäische Integrationsforschung (ZEI) und eigene Interviews offenbarten aber sehr bald, dass der Weg zu gegenseitigem Verständnis oft genug mit Fettnäpfchen gepflastert ist. Ein Beispiel: Wer weiß, dass die meisten Belgier zwischen 12.30 und 14.30 Uhr Mittagspause machen, um in Ruhe speisen zu können, dafür aber abends länger arbeiten, wird weniger ungehalten darüber sein, dass er in dieser Zeit niemanden ans Telefon bekommt. Auch wird er nicht pikiert reagieren, wenn ihm von einem Geschäftspartner statt belgischer Schlemmereien lediglich ein Käsebrötchen vorgesetzt wird - vorausgesetzt, er weiß, dass diese schlichte Mahlzeit ein Relikt calvinistischer Nüchternheit ist.

„Von einer ausgeprägt anderen Mentalität zu sprechen, ist natürlich heikel“, schränkt Ute Schürings ein. Das sei zu pauschalisierend und lasse außer Acht, dass Konventionen je nach Branche, Altersgruppe oder Region variierten: „In den niederländischen Gebieten nahe der deutschen Grenze ist man beispielsweise nicht gut auf die Amsterdamer zu sprechen. Die gelten allgemein als großmäulig.“ Deutsche wiederum sehen sich häufig dem Vorwurf der Arroganz ausgesetzt. Das hat viel mit deren Unwissenheit zu tun, die von Einheimischen schnell als Desinteresse interpretiert werden kann. Auch hier schafft das im Agenda Verlag erschienene Bändchen hinreichend Abhilfe. Nach der Lektüre dürfte es niemandem mehr einfallen, Antwerpen in den Niederlanden zu suchen oder den Belgier Georges Simenon für einen Franzosen zu halten. „Die landeskundlichen Anteile waren mir besonders wichtig“, betont die Autorin. „Sie sollen die Möglichkeit bieten, sich binnen kurzer Zeit über Kultur, Geschichte, Medienlandschaft oder auch Sport zu informieren. Das Buch ist im Grunde für jeden gedacht, der etwas mehr über unsere Nachbarn erfahren will.“

Dennoch ist das Gros ihrer konkreten Beispiele in der Welt der Geschäftsbeziehungen angesiedelt. Besonderes Augenmerk gilt den sprachlichen Konventionen. In den Niederlanden etwa erteilen selbst Generäle keine Befehle, zumindest nicht im deutschlandüblichen Imperativ. Wenn dort der Chef zur Tür herein kommt und fragt: „Wäre es nicht eine gute Idee, die Kopien anzufertigen, um die ich Sie gestern gebeten habe“, dann hat das deutlich stärkeren Aufforderungscharakter als zunächst vermutet. Dass Niederländer grundsätzlich locker seien, hält Ute Schürings, die selbst im Zuge eines Austauschprogramms für eine niederländische Zeitung gearbeitet hat, für ausgesprochen fragwürdig: „Das ist so eine deutsche Unsitte: Immer wird nur geguckt, was anderswo angeblich viel besser sein soll. Darum geht es mir gar nicht. Es ist vielmehr wichtig, dass man auf einige Besonderheiten gefasst ist.“ Also: Beim nächsten Geschäftsessen in Belgien keine Leidensmiene aufsetzen oder die Kalorientabelle zücken. Lieber reinhauen und mit einer der 300 inländischen Biersorten auf den Belgier René Magritte anstoßen.

. Foto: Hannes von der Fecht

„Zwischen Pommes und Praline“ ist im agenda Verlag erschienen und bietet 176 Seiten Aufklärung für 14.80 Euro