Hetze auf dem Markt

Amtsgericht Delmenhorst verurteilt Betreiber eines muslimischen Internet-Portals wegen Volksverhetzung

BERLIN taz ■ Wegen Volksverhetzung ist der Betreiber eines großen deutschen muslimischen Internet-Portals zu drei Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Der Verurteilte habe nahe gelegt, „dass es die Gaskammern der Nazis nicht gegeben habe“, begründete Hanspeter Titzmann, Direktor des Amtsgerichts Delmenhorst, gestern das Urteil gegenüber der taz.

Yavuz Özoguz, der als Umweltverfahrenstechniker im öffentlichen Dienst an der Universität Bremen arbeitet, hatte auf seiner Website „Muslim-Markt“ (www.muslim-markt.de) eine Rede des iranischen Revolutionsführers Ali Khamenei veröffentlicht. Darin seien die Gaskammern als „Märchen“ bezeichnet worden, „dessen Authentizität gar nicht klar ist“, so die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklage. Sie sah in der unkommentierten Wiedergabe die Absicht, eine „feindselige Haltung gegen die in Deutschland lebenden Juden zu erzeugen“. Die von Özoguz ins Deutsche übersetzte Ansprache konnte nach Angaben des Amtsgerichts noch bis Anfang der Woche im Internet nachgelesen werden, inzwischen ist sie entfernt worden.

Darüber hinaus hatte der türkischstämmige Deutsche zwei Bilder kommentarlos nebeneinander gestellt, von denen eines bedrohte Juden während der NS-Zeit zeigte. Auf dem anderen waren eingeschüchterte Araber und israelische Soldaten im Jahr 2002 zu sehen. Das Gericht erkannte in seinem Urteil vom Montag darin den Versuch, „Opfer zu Tätern zu machen“.

Die Verteidigung hatte einen Freispruch gefordert. Sie betonte, der Angeklagte habe sich auf seiner Site von „jeglichem Nazi-Gedankengut“ distanziert. Es sei nicht die Absicht ihres Mandanten, „pauschal das jüdische Volk zu verunglimpfen“. Er wende sich „ausschließlich gegen die Verantwortlichen des Zionismus und des Pseudostaats ‚Israel‘, der auf Unrecht aufgebaut ist“.

Das Gericht wollte dieser Argumentation nicht folgen. Özoguz habe „Leuten mit einer bestimmten Gesinnung Munition geliefert“. Daher sei ein „Warnschuss“ in Form einer dreimonatigen Bewährungsstrafe angemessen. In seiner Stellungnahme bat der Angeklagte „seine Glaubensgeschwister um ein Gebet“ und schloss einen Widerspruch nicht aus. Auf dem „Muslim-Markt“ war auch 2003 für die antiisraelische Al-Quds-Demonstration in Berlin geworben worden. Auch das Landesamt für Verfassungsschutz Schleswig-Holstein beobachtet die Website „mit Sorge“, so eine Sprecherin.ANDREAS SPANNBAUER