Gefesselt im Schulflur – für einen guten Zweck

Welcher Schüler würde es nicht genießen, den Lehrer oder die Schulleiterin einmal gefesselt zu sehen? Die Schüler der Evangelischen Fachschule für Sozialpädagogik hatten gestern das Vergnügen: Die stellvertretende Leiterin der Schule Brigitte Brüggemann wurde mit Strick und Kette für die Dauer einer Pause auf einen Stuhl gefesselt. Initiatoren der Aktion waren die Mitarbeiter des Straßenmagazins Hinz & Kunzt, die auf ihre Zeitung aufmerksam machen wollten.

Weil die Auflage der Obdachlosenzeitung im vergangenen Jahr um 15 Prozent zurückgegangen ist, wurde eine Werbekampagne gestartet. Zu dieser gehören unter anderem Plakate mit dem Slogan „Was müssen wir noch tun, damit Sie uns beachten?“ und auf denen beispielsweise ein umgestürzter Fernsehturm zu sehen ist. „Da unsere Märzausgabe eine Jugendausgabe ist, werben wir jetzt in Schulen“, erklärt Sybille Arendt, Mitarbeiterin von Hinz & Kunzt. In 50 Schulen wurden Lehrer und Direktoren gefragt, ob sie sich fesseln lassen würden. Zugesagt haben nur zwei Schulen, eine überlegt es sich noch. „Die meisten haben aus organisatorischen Gründen abgelehnt“, berichtet Arendt. Sie hofft, dass die Schüler mit Freunden über die Aktion reden und Hinz & Kunzt so unter die jungen Leute kommt.

„Es ist nicht lustig, gefesselt zu sein“, sagt Brigitte Brüggemann. „Aber wenn es hilft, Hinz & Kunzt in die Köpfe der Menschen zu bringen, mache ich es selbstverständlich.“ Schüler und Lehrer stehen vor ihr, den Zweck, Aufmerksamkeit zu wecken, hat die Aktion erfüllt. „Und keiner rettet mich“, beschwert sich die stellvertretende Schulleiterin.

Sie kaufe sich jeden Monat Hinz & Kunzt, erzählt Brüggemann, manchmal sogar mehrmals. „Seit mir ein Verkäufer erzählt hat, dass es ihm lieber sei, wenn die Leute eine zweite Zeitung kaufen, statt ihm ein Zwei-Euro-Stück zu geben, nehme ich manchmal mehrere Magazine mit und gebe sie anderen zu lesen.“

LENA GORELIK/FOTO: DINA BASHIR