Mit Licht gegen die Winterdepression

Der Herr der Lampen: Wenn’s um drei schon dunkel wird, hilft ein Besuch in Martin Sylwans Stockholmer Lichtcafé

Die Sonne ist Martin Sylwans größter Konkurrent. Der 35-jährige Schwede hat vor vier Jahren im Stockholmer Stadtteil Södermalm ein Lichtcafé eröffnet. Das erste seiner Art in Schweden und vielleicht sogar weltweit.

Martin Sylwan ist ein Bär von einem Mann. Groß und stattlich. Ausgeglichen und gut gelaunt. An Winterdepression leidet er schon lange nicht mehr, denn er tankt jetzt ausreichend Sonne: Zweimal die Woche setzt er sich unter seine eigenen Leuchten. Winterdepression ist in Nordeuropa beileibe keine ungewöhnliche Krankheit. Jeder fünfte Schwede ist in leichter Form davon betroffen, und bei vier Prozent der Schweden sind die Symptome sogar so heftig, dass sich die Betroffenen im Krankenhaus einer Lichttherapie unterziehen müssen. Wer an diesem Lichtmangel leidet, der fühlt sich niedergeschlagen, ständig müde, hat keine Lust auf Sex, futtert aber umso mehr Schokolade.

Das Ganze ist auch biologisch zu erklären: Fehlt Licht, wird die Produktion von Melatonin angekurbelt, dem Schlafhormon. Und von dem haben die Schweden im Winter mehr als genug: Denn schon Ende November geht die Sonne erst nach acht Uhr morgens auf und vor drei Uhr nachmittags wieder unter.

Auch Martin Sylwan litt vor Jahren noch an der Winterdepression. Sein Arzt hatte ihm damals eine Lichttherapie im Krankenhaus verschrieben. Doch schon nach zwei Behandlungsstunden reichte es ihm: „Die Lichttherapie tat mir zwar gut, aber die Atmosphäre im Krankenhaus machte mich wieder depressiv, so steril und anonym war alles.“ Und so kam Sylwan die Idee, ein Lichtcafé zu eröffnen. Heilendes Licht wie im Krankenhaus sollte es dort geben, aber in einer gemütlichen Umgebung. „Ich wollte, dass die Leute unter dem Licht der Lampen essen, lesen, sich mit Freunden unterhalten oder sich einfach nur entspannen“, sagt er.

Aus der Idee wuchs das Lichtcafé Iglo. Es liegt im Ausgehviertel Södermalm, nur wenige Meter vom Wasser entfernt, mit Blick auf einen Seitenarm des Mälarsees. Doch die Aussicht spielt hier keine Rolle: Die Fenster des Cafés sind mit weißen Stoffen abgehängt. Weiß ist überhaupt die alles beherrschende Farbe im Iglo. In dieser Farbe sind nicht nur die Fliesen, Wände und Decken gehalten, sondern auch die Stühle, auf denen die Gäste sitzen – sowie die Teller und Tassen, aus denen sie essen und trinken.

Selbst die Kleidung der Kunden ist weiß: Wer ins Lichtcafé kommt, dem wird, nachdem er sich seines Mantels entledigt hat, ein weißer Umhang umgehängt – selbst entworfen und genäht von Martin Sylwans Mutter. Das viele Weiß soll die Wirkung des Lichts noch verstärken, erklärt Sylwans.

Trotzdem: Licht ist nicht gleich Licht. Das in Sylwans Café wirkt grell, hat einen leichten Blaustich. Und das hat seinen Grund: Das blaue Spektrum des Lichts regelt nämlich den Aktivitätspegel des Menschen. „Wer unter blauem Licht arbeitet, tut das effektiver“, zitiert Sylwan aus einer Studie, die auf seinem Schreibtisch liegt. Bis zu zehn Prozent mehr könnten Menschen leisten, deren Arbeitsplatz in Blaulicht getaucht ist.

Und: In einem Punkt sind Sylwans Lampen sogar der Sonne überlegen. Sie geben keine UV-Strahlen ab, die Sonnenbrand oder Hautkrebs verursachen können. RASSO KNOLLER

Weitere Infos: Iglo Ljuscafé , Hornstulls Strand 1, Stockholm, www.iglo.se