Baumle, Seele, Baue!

„Sehen und Fühlen“ in Österreich: Kultursenator Böse sieht sich vom Grazer Kulturhauptstadtmodell inspiriert – fehlt nur noch der hiesige Intendant

Das österreichische Flair weckt selbst die „Musicon“-Idee aus ihrem Schlaf

„Kultur ist die Seele der Stadt“ oder: „Kultur ist teuer, keine Kultur ist armselig.“ Die Grazer haben‘s geschafft – ihre Stadt ist Europäische Kulturhauptstadt 2003, und da empfängt man die Delgation aus Bremen gerne mit ein paar wohlfeilen Bonmots.

Um Mut zu machen: Bremen möchte 2010 Kulturhauptstadt werden und steckt gerade mitten in den Vorbereitungen der Bewerbung. „Viel Anschauen in Graz und wenig nachmachen“ sollte man deshalb, so Uli Fuchs, Dramaturg am Bremer Theater und Mitglied der „Projektgruppe Kulturhauptstadt“. Zusammen mit Kultursenator Kuno Böse (CDU) war er gerade in Graz, um Leute zu treffen wie den ÖVP-Kulturpolitiker Helmut Strobl, den Ex-SPÖ-Bürgermeister Afred Stingl oder Kulturamtsleiter Peter Grabensberger.

Was Kuno Böse in Graz am meisten beeindruckte, war, „dass man die Kulturhauptstadt sieht und fühlt“. Insbesondere Architektonisch: Graz putzt sich heraus in Sachen Stadthalle, Literaturhaus und Kunsthaus. Zwar werde die Renovierung erst im bereits laufenden Kulturhauptstadt-Jahr abgeschlossen, aber, hat Kultursenator Böse erfahren, „die Grazer stört das nicht“.

Und den Baumeister im Kultursenator inspiriert‘s: „Ich denke da an das Konzerthausprojekt Musicon. Architekt Daniel Libeskind hat mit seinem Modell für Bremen ein Meisterwerk geschaffen. Auch wenn es sehr schwer finanzierbar ist.“

57 Millionen Euro hatten die Grazer für ihre Kulturhauptstadt zur Verfügung, und zwar 57 Millionen ausschließlich für‘s Programm. Böse: „Alle architektonischen Maßnahmen sind zusätzlich in ähnlicher Höhe finanziert worden.“ Bundesregierung, der Bezirk Steiermark und die Stadt Graz hätten zusammengelegt – Bremen aber würde im Falle eines Zuschlags seine Investitionsmittel für die Kulturhauptstadt alleine aufbringen.

Geplant wird in Bremen mit Investitionsmitteln in Höhe von 50 Millionen Euro – alles inklusive.

Was direkt zur Gretchenfrage führt: Refinanziert sich das? Regionalwirtschaftliche Effekte? In Graz, so Fuchs, hätten sie bereits im kalten Januar eine Steigerung der Übernachtungszahlen um 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr erzielt. Außerdem würde die Wissenschaft das Kulturhauptstadt-Umfeld schätzen, 36 Kongresse mehr als in 2002 hätten sich dieses Jahr in Graz angemeldet.

Knackpunkt der Bremer Bewerbung aber ist derzeit die Intendantensuche: Wie in Graz soll eine unabhängige Betreibergesellschaft das Konzept entwickeln und umsetzen. Böse: „Wir suchen Leute von außen, die international auf Ballhöhe sind.“ Jemand, der bereit wäre, sich wie der Grazer Intendant Wolfgang Lorenz „auch mit Platzhirschen vor Ort anzulegen“. Im Gespräch sind Martin Heller, Leiter des Museums für Gestaltung in Zürich und künstlerischer Leiter der Expo Schweiz und Martin Roth, Chef der Dresdner Gemäldesammlung. Bis zum 1. April muss die Intendantenfrage geklärt sein, sonst steht möglicherweise ein intendantenfreies Modell ins Haus, das nur auf die Ressourcen der Bremer Marketing Gesellschaft zurückgreifen würde Klaus Irler