Ausweglos und teilweise heiter

Er sortiert nicht nach Tätern und Opfern, sondern sucht vielschichtige Figuren, von denen ihm manche bloß aufgrund ihrer Eigenwilligkeit sympathisch sind: Patrick Schlösser inszeniert Henrik Ibsens „Gespenster“ am Schauspielhaus

Schemen der Vergangenheit, kaum greifbar, aber auch nicht abzuschütteln: Bei Henrik Ibsen hängt alles Gegenwärtige von den Verfehlungen der Jahre zuvor ab. Auch bei seiner Tragödie Gespenster aus dem Jahr 1881 tritt das Markenzeichen des Dramatikers deutlich hervor. Ort der Handlung ist wieder einmal eine einsame norwegische Küstengegend. Hier hat sich Frau Alving in ihrem Kartenhaus aus Lügen eingerichtet: Ihr Mann war Ehebrecher und Säufer, der Etikette halber ist sie trotzdem bei ihm geblieben. Ihren Sohn Oswald hat sie schon als Kind fortgegeben. Und ihre Liebe zu Pastor Manders hat sie verleugnet.

Zum zehnjährigen Todestag ihres Mannes plant Frau Alving die Eröffnung eines Asyls. Doch was auf wackeligen Grundfesten gebaut wird, muss zwangsläufig zum Einsturz kommen. Die Ausweglosigkeit ibsenscher Stücke birgt eine gewisse Gefahr beim Inszenieren. Das erkennt auch Regisseur Patrick Schlösser, der das Stück jetzt im Schauspielhaus auf die Bühne bringt, an: „Trotzdem wollen wir die Tragödie nicht vom ersten Satz an offenbaren.“ Stattdessen verspricht Schlösser für seine Inszenierung auch eine gewisse Dosis Heiterkeit.

Kernthema ist für den Regisseur die Schuld. Selbst schuld sein am verkorksten Leben wegen falscher Entscheidungen – das gilt vor allem für Frau Alving. Und die entscheidet gleich falsch für andere mit. Ihr Sohn hat Syphilis, geerbt vom Vater. Bis er das erkennt, hat Oswald reichlich Zeit zu verzweifeln. Dabei hegte die Mutter doch nur die allerbesten Absichten, sagt der Regisseur grinsend. Oswalds Krankheit versteht Schlösser metaphorisch: „Plötzlich ist er krank. Er fährt nach Hause, um etwas über seine Herkunft zu erfahren und will einfach nur erlöst werden.“

Doch Wahrheit plus Erlösung sind nicht gleich Heilung – weder bei Ibsen, noch bei Schlösser. Wie ein Untoter sitzt Oswald deshalb in Mutters Stube und leistet den anderen Gespenstern Gesellschaft. Für Schlösser ist eine Figur nie nur Täter oder nur Opfer. Deshalb kann er auch jeden von ihnen mögen: „Sie alle haben ihre Macken und Monstrositäten, gleichzeitig auch ihre Liebenswürdigkeiten. Das macht sie mir sympathisch. Nicht, weil sie wirklich sympathisch wären, sondern weil sie ihre Eigenwilligkeit behaupten dürfen.“

Gespenster ist die erste Ibsen-Inszenierung des 31-jährigen Regisseurs, eine Koproduktion mit dem Schauspielhaus Düsseldorf, wo Schlösser schon mehrfach erfolgreiche Arbeiten abgeliefert hat. Ilse Ritter kommt in dieser Inszenierung mit Frau Alving übrigens endlich einmal wieder eine Hauptrolle zu. Ihren schwächelnden Sohn spielt Marek Harloff. Liv Heidbüchel

Premiere: Do, 6.3., 20 Uhr, Schauspielhaus