Blair will Kompromiss

In Nordirland drängt die britische Regierung auf eine Wiederauflage der Koalitionsregierung und verspricht, ihre Truppen stufenweise abzuziehen

aus Dublin RALF SOTSCHECK

Der britische Premierminister Tony Blair gab sich gestern in Nordirland kompromissbereit. Blair und sein irischer Amtskollege Bertie Ahern setzten am Dienstag im Schloss Hillsborough bei Belfast ihre Verhandlungen mit den nordirischen Parteien fort. „Wir bleiben nicht dran, weil wir keine Fortschritte machen, sondern im Gegenteil“, sagte Blair. Auf dem Tisch liegt ein Vorschlag, wie die Belfaster Mehrparteienregierung wieder eingesetzt werden kann. Sie wurde im Oktober aufgelöst, weil man einen angeblichen IRA-Spionagering im Belfaster Parlament aufgedeckt hatte.

Die Regierungen in London und Dublin rechnen fest damit, dass die Irisch-Republikanische Armee (IRA) in Kürze – spätestens im April – eine größere Menge an Waffen ausmustern und sämtliche Aktivitäten wie Ausbildung, Rekrutierung und Strafaktionen für beendet erklären wird. Es heißt, Sinn-Féin-Präsident Gerry Adams, der dem siebenköpfigen IRA-Armeerat angehört, habe die Beendigung sämtlicher paramilitärischer Aktivitäten bereits angeordnet. Immerhin bietet die britische Regierung an, in den nächsten drei Jahren im Gegenzug tausende von Soldaten aus der Krisenprovinz abzuziehen. Polizei und Justiz sollen der Belfaster Regierung unterstellt werden. Und 30 bis 40 als Terroristen gesuchten Personen soll Straffreiheit zugesichert werden.

Unionistenchef David Trimble, der am Samstag zwar als Parteichef wiedergewählt wurde, doch nur rund die Hälfte der Parteimitglieder hinter sich hat, benötigt eine eindeutige Geste der IRA, um seine Leute zum Wiedereintritt in eine Regierung mit Sinn-Féin-Beteiligung zu bewegen. Seine Unionistische Partei steht kurz vor der Spaltung. Die Dissidenten lehnen es ab, mit Sinn Féin in einer Regierung zu sitzen, selbst wenn die IRA ihre Waffen abgäbe.

„Die IRA muss wirklich verschwinden“, sagte Trimble deshalb. „Wir müssen wissen, dass ihr so genannter Krieg vorbei ist.“ Trimble verlangte, dass Sinn Féin bestraft würde, falls sich die IRA nicht an die Abmachungen halten sollte. Er möchte ihre Einhaltung von einem internationalen Gremium überwachen lassen.

Umstrittener als dieser Wunsch, dem Sinn Féin letztlich zustimmen könnte, ist Trimbles Wunsch, die Zerstörung der IRA-Waffen filmen zu lassen. Das kann die IRA wiederum kaum zulassen, weil ein so deutlich sichtbarer Akt der Unterwerfung noch mehr Mitglieder in Splitterorganisationen treiben würde

Trimble war sich jedoch mit Sinn Féin einig, dass es erhebliche Fortschritte bei den Verhandlungen gegeben habe. Das Belfaster Friedensabkommen vom Karfreitag 1998, aus dem die Regionalregierung hervorgegangen ist, wird nur noch von 60 Prozent der Protestanten unterstützt. Zwar sind es auf katholischer Seite 92 Prozent, doch auch das ist der niedrigste Stand seit seiner Unterzeichnung.