berliner szenen Der neuer Trend

Containern

Ein leerer Kundenparkplatz vor einem Aldi. Samstagnachmittag, zwischen Ladenschluss und dem Einbruch der Dämmerung. In der Ferne rumpelt ein Güterzug. Ich lehne an einer Reihe von Einkaufswagen und warte. Eine Freundin mit Kontakten zur Szene hat mir den Tipp gegeben: „containern“, der neue Trend.

Weil Mittelschichteltern es mittlerweile cool finden, im Discounter zu shoppen, holen sich Mittelschichtkinder den Kick jetzt nach Ladenschluss.

Eine Mittelklasselimousine fährt auf den Parkplatz. Das Licht erlischt. Heraus steigen drei junge Frauen und ein noch jüngerer Mann. Eine der Frauen hat ein langes Abendkleid an, die anderen sehen eher unauffällig aus. Sie haben Werkzeug dabei. Wir gehen zur Rückseite des Gebäudes. Dort steht eine Reihe Müllcontainer, rote, grüne, silberne. Mit Eisenketten gesichert, doch die Kettenglieder lassen sich aufbiegen. Die Haube eines Containers schnappt schmatzend nach hinten: Drin sind blaue Säcke, voll mit Lebensmitteln. Original verpackt. Auf dem Pflaster stapeln sich bald Kartons mit Schokowaffeln, Margarinewürfeln, Jogurtbechern. Die Haltbarkeitsdaten sind abgelaufen.

Die Mitglieder der Container-Crew klettern in die müffelnden Schlünde der Behälter, verschwinden bis zum Kopf im Konsumabfall. Angetaute Tiefkühlpizzas kommen zum Vorschein, welke Salatblätter, zerbeulte Blisterpackungen mit Gorgonzola. Die Beute landet im Kofferraum des Autos. Sorgfältig werden die Container wieder verschlossen.

Der Motor springt an, die Container-Crew zieht weiter, zum Wal-Mart ein paar Straßen weiter. Ich bleibe zurück, in der Jackentasche eine Piccoloflasche Kupferberg. An der nächsten Straßenecke werfe ich sie in einen Mülleimer. ANSGAR WARNER