Schatten überm Jahrestag

Noch kein Jahr alt, kämpft das Beratungszentrum „Esstörungen“ schon ums langfristige Überleben – obwohl es einen Sponsoren für die Einrichtung in der Neustadt gäbe

Alles hat so hoffungsvoll angefangen. Die „Aktion Mensch“ hatte die Gründung des Bremer Beratungszentrums „Essstörungen“ mit rund 160.000 Euro für die ersten drei Jahre bezuschusst. Danach, ab 2006, soll das Zentrum finanziell auf eigenen Füßen stehen. Doch nun liegt ein Schatten über dem ersten Geburtstag der Einrichtung. Bis April muss das Zentrum 30.000 Euro auftun, um sein zweites Jahr gut zu überstehen.

„Die Gesundheitssenatorin hat uns letzten Monat mitgeteilt, dass sie keine Zusage für unsere langfristige Absicherung geben kann, obwohl sie unsere Arbeit wichtig findet“, sagt Mitarbeiterin Doris Moormann. Besonders bitter sei das, weil eine Stiftung als Sponsor bereit steht – allerdings nur dann, wenn die Zukunft der Beratungsarbeit über die ersten drei Jahre hinaus „nachhaltig“ abgesichert ist.

„Wir versuchen jetzt auch, mit den Krankenkassen verstärkt ins Gespräch zu kommen“, sagt Moormann. Immerhin leiste das Zentrum wichtige gesundheitliche Präventionsarbeit, um „chronifizierte Störungen“ abzuwenden. In den Räumen in der Neustadt kann sich jeder Beratung holen, der vermutet, von Essstörungen betroffen zu sein oder Menschen zu kennen, die Hilfe brauchen. Hier rufen junge Menschen an, die nicht länger darüber hinweg sehen können, dass ihre Hungerkuren krankhaft oder das Kotzen langsam gefährlich wird. Oder es kommen (meist) Mütter, deren Töchter sich zu dick fühlen – oft mit auffälligem Essverhalten.

„Leider wenden sich viele erst an uns, wenn die Krankheit schon fortgeschritten ist“, sagt Moormann. Dabei seien die Heilungschancen besser, je früher die Störung behandelt werde. Sie weist darauf hin, dass man sich hier auch um die vielfach unbeachtete Gruppe der männlichen Essgestörten bemühe. „So gesehen sind wir in Bremen die einzige niedrigschwellige Anlaufstelle für alle Geschlechter und Altersgruppen.“

Therapie allerdings bietet die Einrichtung nicht an, deren Träger das Institut für Suchtmedizin und angewandte pädagogische Psychologie (Isapp) ist. „Wir helfen aber, Therapieplätze zu finden und Wartezeiten zu überbrücken.“ Auch informieren Moormann und zwei weitere KollegInnen über Behandlungsmöglichkeiten, Hilfe in akuten Krisen und Klinikaufenthalte. „Im Bereich der Prävention liegt noch viel vor uns“, sagt die studierte Pädagogin und Gestalttherapeutin. Dies sei ein Schwerpunkt der Zukunft. Vorerst arbeitet das Institut an einer Öffentlichkeitskampagne, um das Überleben seiner Einrichtung zu sichern. „Schwere und Umfang von Essstörungen werden in unserer Wohlstandsgesellschaft verdrängt“, glaubt Moormann. Dabei seien die Folgen oft tragisch. „Noch heute sterben 15 von 100 chronisch erkrankten Magersüchtigen an den langfristigen Folgen der Krankheit.“ ede

Info ☎: 0421-5978716, mo 13-14, mi 14.30-15.30, fr 12-13 Uhr