BSE macht wohl vergesslich

Vom Bio-Vorzeigeprojekt zurück zur konventionellen Schweinemast – wie das schlechte Gedächtnis der Verbraucher eine hessische Schweinemästerin in die marktwirtschaftlichen Schranken wies

BERLIN taz ■ Vor drei Jahren wollten die Bürger nur eins: Biofleisch. Es war die Zeit von BSE und Maul- und Klauenseuche, und wer überhaupt noch zum Metzger ging, verlangte Schnitzel mit Biosiegel. Auch Britta Ibing, 38, machte sich damals auf den Weg in die ökologische Zukunft. Ihr Schweinemasthof im hessischen Lichtenfels-Rhadern, den sie gemeinsam mit ihrem Vater seit zwölf Jahren führt, wurde am 1. Juli 2001 zum Biobetrieb – einem der größten seiner Art in Deutschland.

Heute, dreißig Monate später, ist das Ökoprojekt gescheitert, Ibings 800 Schweine gehören wieder zur konventionellen Truppe. „Die Nachfrage nach Biofleisch ist ebenso schnell gefallen, wie sie gestiegen ist“, sagt sie. „Wir konnten unsere Schweine einfach nicht mehr verkaufen.“ Dabei hatten ihr Ökoverbände wie Bioland und Naturland reißenden Absatz prophezeit – und ein Jahr Verkaufsgarantie zugesichert.

Die umweltbewusste Schweinemästerin war schnell überzeugt, schließlich verfügte sie bereits über einen artgerechten Stall und genug Ackerfläche, um das Futter für ihre Schweine selbst zu produzieren. Anfang 2002 waren die ersten Bioferkel zu verkaufsfertigen Schweinen angewachsen. Doch die Prachtstücke wollte niemand mehr haben, die Verbraucher hatten BSE und MKS wieder erfolgreich verdrängt.

Landwirtschafts-Staatssekretär Matthias Berninger startete zwar einen Rettungsversuch – aber mehr als zehn Schweine konnte auch er nicht ans Messer liefern. Als im März 2003 schließlich der Hauptabnehmer – ein Schlachthof in Belgien – seinen Vertrag kündigte, war das Schicksal des Biobetriebs besiegelt: An seinem zweiten Geburtstag wurde er eingestellt. „Vorher mussten wir bereits 400 Ökoschweine als konventionelle Schweine verkaufen – ein Verlust von 100 Euro pro Tier“, erzählt die ehemalige Biobäuerin. Hinzu kamen 14.500 Euro Subventionen, die sie an das Land Hessen zurückzahlen musste, da der unterzeichnete Fünfjahresvertrag nicht eingehalten werden konnte.

Ihr Mann, selbstständiger Maschinenbauingenieur, musste das saugeplagte Sparschwein stopfen, um die sechsköpfige Familie zu ernähren. Als Britta Ibing in landwirtschaftlichen Fachzeitschriften auf die desolate Marktsituation aufmerksam machte, folgten zahlreiche Anrufe ungläubiger Bauern. Schließlich hatten ihnen bundesbeauftragte Bioberater immer wieder Erfolg zugesichert.

Britta Ibing hat den Glauben an artgerechte Haltung und Biofutter trotzdem nicht verloren. „Ich würde wieder Bioschweine züchten, wenn der Absatz garantiert wäre“, sagt sie. „Die Bereitschaft der Bauern zur Ökolandwirtschaft ist da. Es liegt am Verbraucher, ob sie Zukunft hat.“ BETTINA GARTNER