Rausgelost

Jugendwerkstatt Rosenallee in St. Georg nach 25 Jahren erfolgreicher Arbeit vor dem Aus: Arbeitsamt zieht laufende Ausschreibung zurück. Wenn kein Wunder geschieht, stehen Ende Juli 60 Jugendliche und 14 Mitarbeiter auf der Straße

von SANDRA WILSDORF

Seit über 25 Jahren bereitet die diakonische Jugendwerkstatt Rosenallee erfolgreich Jugendliche auf den Beruf vor. Jugendliche, die als lernbehindert gelten, körperliche oder seelische Schäden haben. Jugendliche, die auf dem freien Markt der Kräfte keine Chance auf eine Ausbildung haben. Vor wenigen Monaten gab es Lob und Glückwünsche für ein Vierteljahrhundert Arbeit mit jungen Menschen, mit denen die Gesellschaft nichts zu tun haben will. Nun steht die Jugendwerkstatt in St. Georg vor dem Aus. Geschieht kein Wunder, stehen Ende Juli 60 Jugendliche und 14 festangestellte Mitarbeiter auf der Straße.

In dürren Worten teilte der zuständige Arbeitsamtsmitarbeiter nämlich mit, „dass ich die Ausschreibung für die folgenden Losnummern (...) aufheben muss, weil sich die Finanzierungsgrundlagen der Ausschreibung wegen unvorherzusehender Kürzung der zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel wesentlich geändert haben“. Es folgen eine Reihe von „Losnummern“ und die Bitte, keine Angebote abzugeben sowie der Hinweis: „Eine Erstattung der Vervielfältigungskosten für die Verdingungsunterlagen kann nicht erfolgen.“

Ein Todesurteil, das erst dechiffriert werden wollte: „Eine dieser Nummern sind wir“, sagt Bernhard Laux, seit 17 Jahren Berufsschullehrer in der Jugendwerkstatt. Denn nachdem das Hamburger Arbeitsamt 20 Jahre lang Jugendliche zu ein- bis zweijährigen Vorbereitungslehrgängen in die Rosenallee geschickt hat, erfolgt für den neuen Lehrgang zum 1. August zum ersten Mal eine Ausschreibung. Wegen der belebenden Konkurrenz.

Mitarbeiter haben dafür das Projekt neu konzipiert. Denn die Ausschreibung sah weder die bestehende Ton- noch die Druckwerkstatt vor. Also entwickelten sie Konzepte für Trockenbau- und Medienwerkstatt. Das war auch deshalb besonders wichtig, weil der Senat mit seinen Sparbeschlüssen das andere Standbein der Einrichtung – die Jugendberufshilfe – um dramatische 50 Prozent gekürzt hat (taz berichtete). Deshalb richtete sich nun alle Hoffnung auf die Ausschreibung des Arbeitsamtes.

Und die hatte auch ihr Gutes, sah sie doch einen verbesserten Stellenschlüssel vor. Die Werkstatt schaltete Stellenanzeigen, fand eine Sozialpädagogin und schickte drei Anleiter zu Lehrgängen zur Ausbildereignungsprüfung. „Ende der Woche wollten wir das fertige Konzept einreichen“, sagt Laux. Das Konzept auf eine Ausschreibung, die es nun gar nicht mehr gibt.

„Wir müssen sparen“, erklärt Arbeitsamts-Sprecher Knut Böhrnsen. Mit der Qualität der Arbeit habe das nichts zu tun: „Uns blutet das Herz, aber wir haben das Geld nicht.“

Für Anleiter wie Jugendliche hat die Tatsache, dass die Bundesanstalt für Arbeit in diesem Jahr mit etwa sechs Milliarden Euro weniger auskommen will, fatale Folgen. „Ich werde bald 50, da sieht es auf dem Arbeitsmarkt nicht gut aus“, sagt Dieter Heinemann, der die Druckwerkstatt leitet. Er ist fassungslos: „Ich mache diese Arbeit seit über 15 Jahren und habe immer geglaubt, sie wäre das Wichtigste, was man im Sozialen so machen kann.“

Eine Arbeit, die Jugendlichen eine Perspektive gibt, die sonst keine haben. So wie Dennis. Er lebt in einer intensiv betreuten Wohngruppe, die er nur vormittags verlassen darf, um in die Rosenallee zu kommen. Jetzt muss er wohl ins Jugendgefängnis. Über die Kürzung ist er „wütend und traurig“. Halbe-halbe.

Stefan ist im ersten Jahr in der Töpferwerkstatt, er sollte noch ein zweites Jahr bleiben, um seinen Hauptschulabschluss zu machen. Er sagt. „Es gibt schließlich welche, die lernen langsamer. Hier kann man langsam lernen, dass man einen Beruf ausführen kann.“ Bald nicht mehr.

Daran konnte auch ein Spitzengespräch zwischen Arbeitsamtsdirektor Rolf Steil, Landespastorin Annegrethe Stoltenberg und Werkstattleiter Markus Hohlbein am gestrigen Nachmittag nichts ändern.