Zyperntürken-Chef: Volk zu dumm

UN will Votum der Politiker umgehen und schlägt Volksabstimmungen in Zypern vor

NIKOSIA taz ■ Der Versuch von UN-Generalsekretär Kofi Annan, das Zypern-Problem direkt durch Volksabstimmungen in beiden Teilen des Landes zu lösen, stößt auf Widerstände. Der Chef der Zyperntürken, Rauf Denktasch, nannte den Plan Annans am Wochenende „täuschend und falsch“. Schon zuvor hatte er erklärt, das Volk sei zu unwissend, um über ein so wichtiges Thema zu entscheiden.

Annan hatte bei seinem Besuch in Nikosia vorgeschlagen, dass die Bewohner der Insel selbst in Volksabstimmungen über die Gründung eines gemeinsamen Bundesstaats abstimmen sollen, nachdem sich die Politiker seit Jahrzehnten nicht einig werden können. Bisher sollten sich die politischen Vertreter beider Seiten zuerst einigen, um dann die Referenden abzuhalten. Nach dem Willen Annans sollen die Referenden am 30. März in beiden Teilen des Landes stattfinden. Auf einer Konferenz in Den Haag am 10. März sollen die Politiker dieser Prozedur zustimmen.

Denktasch erklärte zwar ebenso wie der zyperngriechische Präsident Tassos Papadopoulos seine Bereitschaft zur Teilnahme an der Den Haager Konferenz. Seine jüngsten Äußerungen lassen aber erwarten, dass er dort einem Referendum nicht zustimmen wird. Damit wäre der Versuch der UN, noch vor dem Mitte April geplanten EU-Beitritt des griechischen Teils Zyperns eine Gesamtlösung für die Insel zu finden, endgültig gescheitert. Das Referendum stößt unter der zyperntürkischen Opposition auf breite Zustimmung. Am vergangenen Donnerstag waren 50.000 bis 70.000 Bewohner des Nordens für den UN-Plan und die EU-Mitgliedschaft in der geteilten Hauptstadt Nikosia auf die Straße gegangen. Das entspricht einem Drittel der Gesamtbevölkerung Nordzyperns. Die Teilnehmer verlangten unter einem Meer von EU-Flaggen den Rücktritt Denktaschs. Nach Umfragen tendiert eine deutliche Mehrheit für eine gemeinsame Zukunft mit den Inselgriechen. Das Meinungsbild unter den Zyperngriechen ist weniger eindeutig. KLAUS HILLENBRAND