Welches Subjekt hätten S‘ gern?

Ein Kolloquium befragt ab heute Jacques Lacan: Der Altmeister der rätselhaften Grafik kündete als Reformator der Psychoanalyse vom Schwinden des Symbolischen

Als Robert Lemke 1955 in seiner ARD-Sendung „Was bin ich?“ erstmals zum „heiteren Beruferaten“ einlud, waren sich wohl weder er noch die meisten seiner Zuschauer im Klaren darüber, welche existenzielle Tragweite diese Frage für das postmoderne Subjekt ein mal haben sollte.

Klar war hingegen: wie sich mit Hilfe des Berufes eine stabile Identität gestalten lässt, was sich gehört und wohin man gehört. Vor verstörenden Überraschungen war man in den Medien und der Kunst weitgehend sicher.

Anders als in Lemkes Quizshow steht in heutigen TV-Shows und Werbespots die narzisstische Feier von Jugend und Schönheit im Mittelpunkt. Kunst und Popkultur ziehen hingegen mit Inszenierungen des Grotesken und Monströsen immer mehr Zuschauer an. „Ich bin ein Star – holt mich hier raus“.

Mit dem Hässlichen und Widerlichen kamen neue Fragen auf, die ab morgen auf der kulturwissenschaftlichen Tagung der Bremer Uni erörtert werden: „Inflation des Realen – Verschwinden des Symbolischen“.

Woher kommt die Faszination des Ekelhaften und Zerstörten? Sind die festen gesellschaftlichen Gefüge im Verschwinden begriffen? Oder hat sich nur ihr Aussehen verändert? Und: Stellen Skateboard fahren und tagelange Techno-Parties zeitgemäße, effektive Techniken dar, sich ganz und wahrhaftig selbst zu erfahren?

Bei ihren Erklärungsansätzen orientieren sich die Vortragenden an den Theorien des französischen Psychoanalytikers Jacques Lacan (1901-1980). Sein Modell der menschlichen Psyche soll helfen, Phänomene wie die Idealisierung des Schönen, die Lust am Kaputten und den Trend zu immer extremeren körperlichen Erfahrungen zu verstehen.

Till Stoppenhagen

„Inflation des Realen – Verschwinden des Symbolischen“: 15. bis 17.1., Gästehaus der Uni Bremen, Teerhof 58