Meditation in Stein

Im Herzen der Rocky Mountains, mit Blick auf die Gipfel der Teton Range, thront ein postmodernes Märchenschloss: das Amangani. Es verbindet Luxus mit Askese und Opulenz mit Konzentration

von STEFAN SCHOMANN

2.135 Meter hoch gelegen und der Welt fast feierlich entrückt ist das Amangani, eine exquisite Zufluchtsstätte für betuchte Weltenbummler und -bürger. In seiner paradoxen Ästhetik, die Luxus mit Askese paart und Opulenz mit Konzentration, spiegelt es die widerstreitenden Sehnsüchte unserer Zeit. Schon die Anfahrt hat etwas Unwahrscheinliches: Kaum lässt man den Rummel von Jackson Hole – dem Garmisch von Wyoming, halb Westernstadt, halb mondäner Wintersportort – hinter sich, zweigt eine Straße in ein stilles Seitental ab. Von ein paar Ranches abgesehen, scheint es weit und breit keine Besiedelung zu geben.

Die Straße windet sich bergan, das Panorama weitet sich mit jeder Kurve, und erst ganz oben erblickt man den langgestreckten Flachbau des Amangani. Aus graubraunem Sandstein gemauert, schmiegt es sich diskret an den schmalen Sattel. Um so größer ist dann die Überraschung, wenn man das Foyer betritt und sich eine imposante mehrstöckige Halle öffnet – und zwar nach unten. Wie eine Kaskade führt die Treppe hinab in den lichtdurchfluteten Raum.

Das spektakuläre Entree stellt eines von Anfang an klar: Dies ist kein Hotel mehr, dies ist ein Tempel. Eine Gralsburg des erlesenen Geschmacks. Hier wird der Baukunst, der Wohn- und Esskultur gehuldigt, hier werden Schönheit und Wohlbehagen zelebriert. Auf dem Boden Platten aus grauem Quarzit, an der Decke leuchtendes Redwoodholz, und dazwischen, bestimmt zwanzig Meter hoch, kantige Säulen aus dem gleichen unbehandelten Sandstein, der schon die Fassade halb mit dem Berg verschmelzen ließ. Der erste Eindruck ist der eines gelungenen Paradoxes: Dieser Bau gibt sich zugleich archaisch und aristokratisch, elementar und elitär.

Dieses vor vier Jahren eröffnete Hotel ist nicht das erste, das Architekt Ed Tuttle für die Aman-Resorts geschaffen hat. Rund um die Erde hat er sich schon als Spezialist für gebaute Träume betätigt, als Fabrikant von Paradiesen. Hat einen virtuosen Mischstil entwickelt, eine Synthese aus altem Adel und New Age, aus Ost und West, aus Klassik und Weltkultur.

Amangani – das Wort ist nicht etwa indianischen, sondern altindischen Ursprungs und bedeutet so viel wie „Haus des Friedens“. Die anderen Mitglieder der Aman-Familie tragen ähnlich wohlklingende Namen, nicht umsonst liegen die Stammhäuser in Südostasien. Wer je in einem solchen Märchenhotel logiert hat, tut sich hinterher schwer mit gewöhnlichen Behausungen, und sei es selbst die eigene. Weshalb die Kunden aus aller Welt eine Art epikureische Bruderschaft der Amanisten bilden. Das einzige Aman-Resort in den Staaten wirkt auf erfrischende Weise unamerikanisch. Zeigt es doch stilistische Finesse, begnügt sich mit Andeutungen, inszeniert die Stille. Gerade Jackson Hole nämlich bietet sonst reichlich Beispiele für jenen prahlerischen Überschwang, der hier unter „neuer alter Westen“ firmiert und sich in kapitalen Bronzeadlern und gasgespeisten Kaminfeuern austobt, in krachlederner Cowboy-Couture und horrenden Immobilienpreisen.

Dem setzt das Amangani Ästhetik in Reinkultur entgegen. Ein Zen-Hotel: steingewordene Meditation. In den vierzig Suiten kehrt Redwood als tonangebendes Material wieder. Ein kupferrot glimmendes Holz, warm und doch dezent, behaglich, aber nicht dumpf, stark, aber nicht lastend. Dazu gesellen sich Beige, Khaki und etwas Anthrazit. Die Einrichtung beschränkt sich auf das Wesentliche: fein geflochtene Korbsessel, ein King-Size-Bett, auf dem man eher schwebt als schläft, eine Badewanne, in der man alle Viere von sich strecken kann. Dazu ein königlicher Rundblick über Berg und Tal.

Der erste Erkundungsgang gilt dem Schwimmbecken, das schon durch die Hallenfenster so verführerisch schillerte. Allein der Whirlpool wirkt größer als anderswo das Kinderbecken – nicht weiter verwunderlich, befinden wir uns doch im Land der Geysire und Thermalquellen, einen Katzensprung vom Yellowstone entfernt. Das große Becken schließlich, eine 35 Meter lange Gerade, wird auch im Winter geheizt, so dass man vor der verschneiten Kulisse der Tetonberge seine Bahnen ziehen kann.

Redwood und Natursteine prägen auch die elegante Sauna, die ihre Besucher mit wohlriechenden Essenzen und hypnotischer Hintergrundmusik ins Nirwana entrückt. Ein Stockwerk höher führt der Rundgang dann durch die Halle in die Bibliothek. Mit Bildbänden nur so gespickt, liest man sich dort schnell für Stunden fest. Eine weitere Etage höher, also wieder im Eingangsbereich, wacht über der Bar aus blankem Zink ein lebensgroßer Puma: ein ausnahmsweise gelungenes Tiergemälde voller Anmut und Geheimnis.

Hier mischen sich Hotelgäste mit Publikum von unten aus der Stadt. Wer glaubt, das distinguierte Ambiente, der legendäre Ruf oder mindestens die einschüchternden Preise des Amangani würden die Kundschaft zu einer gewissen Förmlichkeit anhalten, hat sich getäuscht. Hier im Westen hat alles casual und easy going zu sein – die rücken noch zum Gala-Dinner mit Baseballkäppi und Jeanshemd an und lärmen dabei wie im Saloon.

Das Restaurant folgt der kosmopolitischen Philosophie des Hauses, wobei dem umgebenden Ranchland mit allerhand Steaks besondere Referenz erwiesen wird. Am Abend trifft armenisches Fladenbrot auf Austern von der Pazifikküste und kalifornische Gänseleberpastete auf mediterrane Feigenmarmelade. Die Vanille für die Nachspeisen schickt das Schwesternhotel auf Bora-Bora.

Die Verbindung von hohen Gebirgszügen und weiten, von eiszeitlichen Gletschern ausgeschabten Tälern machen Jackson Hole zu einem Dorado des Skisports. Zu Füßen des Amangani bietet sich das Spring Creek Ranch Nordic Center für Langlaufrunden durch das abgeschiedene Tal an; größere Touren führen ins Herz des Grand-Teton-Nationalparks. Schneeschuhlaufen, Hundeschlittenfahrten und Schneemobil-Exkursionen werden vom Hotel aus organisiert, ebenso Audienzen bei Seiner Majestät, dem Yellowstone. Außerdem bietet das Amangani seinen Gästen eine eigene Lounge am Fuße des Jackson Hole Mountain Resorts. Mit 1.260 Metern Höhenunterschied locken in diesem Skigebiet einige der längsten Abfahrten der Rockies.

Für den Transfer sorgt ein Shuttle-Service in nagelneuen Lexus-Karossen, die mit Satellitennavigation und DVD-Spielern bestückt sind und Nachtsichtprojektionen direkt auf die Windschutzscheibe beamen. Spätestens in den Schalensitzen dieser futuristischen Vehikel geht einem auf, dass es sich bei dieser vermeintlichen Nobelherberge, die da auf dem Dachfirst Amerikas thront, in Wahrheit um ein verkapptes UFO handeln muss, um ein Hotel aus einer anderen Welt.

Amangani: 1535 North East Butte Road, Jackson Hole, WY 83001. Tel. (00 13 07) 7 34 73 33, Fax 7 34 73 32; www.amanresorts.com. Preise zwischen 700 $ für die „einfachen“ Suiten und 1.100 $ für die Grand Teton Suite.