Das ist doch „Schleichwerbung“?

Der AWD-Dome und die Berichterstattung im Weser-Kurier: Berichtender Text und Werbeanzeige erscheinen auf einer Seite – kein Problem, scheinen die Weserkurier-Macher zu finden. Sehr wohl ein Problem, sagt Presserechtler Michael Schmuck

„Erste Liga“, „endlich gut“, gar „perfekt!“ – mit diesen Worten feierte der Weser-Kurier in seiner Ausgabe vom vergangenen Freitag auf der Seite 11 die Umbenennung der Stadthalle in „AWD Dome“. AWD, der Allgemeine Wirtschaftsdienst, sei „nach eigenen Angaben der größte Finanzmakler Europas“, schreibt der Berichterstatter, etwa eine Milliarde Euro habe AWD für seine Kunden angelegt, „der Bekanntheitsgrad der Aktiengesellschaft liegt bei 40 Prozent.“

Direkt unter dem redaktionellen Text: eine halbseitige Anzeige von AWD – „Ein neuer Dome für Bremen. AWD Dome“. Unter einer Telefonnummer für sechs Cent pro Minute will „Europas größter unabhängiger Finanzoptimierer“ erklären, „wie auch Sie von AWD profitieren können.“

Diese Nähe von Anzeige und redaktionellem Text ist höchst problematisch – warum, das erklärt der Presserechtler, Journalist und Rechtsanwalt Michael Schmuck.

taz: Wonach sieht Ihnen diese Seite im Weser-Kurier denn aus?

Michael Schmuck: Ich finde die Kombination der Anzeige auf dem unteren Teil der Seite mit dem Text schon kritisch. Der Text ist sehr, sehr anbiedernd, da ist ja kaum was Kritisches drin. Er ist kein Werbetext, aber sehr nah dran.

Woraus schließen Sie das?

Der Text, finde ich, ist ziemlich werblich geschrieben. Mein Eindruck ist, dass der Autor einen großen Teil aus dem AWD-Werbeprospekt übernommen hat. Die Angabe von Anlagen in Höhe von etwa einer Milliarde Euro oder des Bekanntheitsgrads von 40 Prozent ist in Ordnung, muss ja auch geschrieben werden, damit die Leute wissen, was AWD ist, wenn künftig ihre Stadthalle so heißt. Zwar heißt es im Artikel „nach eigenen Angaben“ von AWD – dennoch muss man wenigstens versuchen zu prüfen, ob das stimmt.

Wer entscheidet, ob so etwas anstößig ist oder nicht?

Gerichte haben schon häufig so entschieden: Wenn über ein Unternehmen positiv berichtet wird und daneben oder auf den folgenden Seiten eine große Anzeige dieses Unternehmens steht, gilt dies als Schleichwerbung. Das aber – das muss man betonen – ist immer eine Einschätzung, jedes Gericht entscheidet anders. Diese Dinge befinden sich in einer Grauzone, sind nicht immer klar zu bewerten. Aber dies hier erscheint doch ganz stark als Schleichwerbung.

Wie würden Sie diesen Fall bewerten – darüber hinaus, dass Sie darin einen Fall von Schleichwerbung sehen? Und was bedeutet ein solches Vorgehen gegenüber dem Leser, der glaubt, er habe eine „unabhängige Zeitung“ vor sich – das zu sein, behauptet der Weser-Kurier zumindest.

Ich lebe nicht in Bremen und kenne den Weser-Kurier nicht, kann also jetzt nur für diese eine Seite sprechen, nicht für die ganze Zeitung. Aber diese Seite erscheint auf den ersten Blick wie eine gekaufte Seite, eine PR-Beilage. Über der ganzen Seite müsste „Anzeige“ stehen. Es erscheint, als wollte sich das Blatt dem Unternehmen AWD anbiedern, als wollte es die Anzeige haben, als sei der Text bewusst werblich geschrieben. Ich kann schwer sagen, wie das auf den Leser wirkt, aber es erscheint nicht unabhängig.

Was könnten die rechtlichen Konsequenzen sein?

Andere Tageszeitungen in Bremen und umzu könnten eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung erwirken. Wenn der Richter auch der Meinung ist, dies sei Schleichwerbung, ist das ein Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht. Denn wenn eine andere Zeitung nun kritisch über AWD berichtet, kriegt sie diese Anzeige nicht. Jetzt nicht und künftig nicht. Außerdem könnte eine Konkurrenz von AWD klagen und sagen: Der Weser-Kurier hat unsere Konkurrenz, AWD, zu positiv dargestellt.

Eine solche Klage hätte Chancen?

Chancen ja – aber wie groß die sind, ist schwer zu sagen. Auch deshalb, weil die Bremer Gerichte sicher nicht sehr erfahren sind mit solchen Dingen. Das sieht in Berlin, in Hamburg, München und auch Köln anders aus.

Fragen: Susanne Gieffers