Ohne Zivis geht es nicht

Unbesetzte Zivildienststellen belasten die Wohlfahrtsverbände – jetzt fürchten sie das Ende des Zwangsdienstes. Alternativmodelle können Mangel an Hilfskräften im Sozialbereich nicht beheben

VON LEONIE LYDORF

In Berlin wird über eine Abschaffung des Wehr- und Zivildienstes diskutiert. Einen Vorgeschmack auf eine Zeit ohne Zivis gibt es schon jetzt in Nordrhein-Westfalen: In vielen Wohlfahrtsverbänden mangelt es an Zivildienstleistenden. Von 37.500 Zivistellen sind nur 20.000 besetzt.

Das liegt zum einen an der verkürzten Dienstzeit, zum anderen an den Einsparungen beim Bundesamt für den Zivildienst (BAZ). „Wir haben nur einen bestimmten finanziellen Rahmen“, sagt Rüdiger Löhle, Pressesprecher des Bundesamts für den Zivildienst. 2003 konnten deshalb Stellen nicht besetzt werden, Wehrdienstverweigerer mussten auf unbestimmte Zeit vertröstet werden.

Hinzu kommen veränderte Einberufungskriterien für den Wehrdienst. Wer T3, also eingeschränkt „verwendungsfähig“ gemustert wird, wird bis auf weiteres nicht einberufen. Nur noch Männer, die zu Dienstbeginn ihr 23. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, müssen ran. Dadurch fallen ebenfalls potenzielle Kriegsdienstverweigerer weg. Mit verheerenden Folgen.

Der Malteser Hilfsdienst bietet einen Betreuungsdienst für bedürftige Menschen an, der fast ausschließlich von Zivildienstleistenden getragen wird. Dies könne so nicht mehr fortgesetzt werden, denn während früher noch 3.000 Zivis bei den Maltesern eingestellt waren, sind es dieses Jahr nur noch knapp die Hälfte, sagt Christoph Zeller, ein Sprecher der Malteser. Auch Klaus Lennartz, stellvertretender Landesvorsitzender des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB), hält die Situation für bedrohlich. „Viele Dienste, etwa in der Altenhilfe, kann der ASB ohne Zivis nicht aufrecht erhalten.“

Zusammen mit den Kürzungen bei der Bundeswehr wird im Bundestag auch eine generelle Abschaffung der Wehrpflicht diskutiert. Der als Ersatzdienst entstandene Zivildienst steht mit auf dem Spiel. Bereits 2008 könne der Zivildienst entfallen, befürchtet Eberhard Evers vom Paritätischen Wohlfahrtsverband. Lennartz verfolgt die Diskussion mit Sorge. „Die Abschaffung des Zivildienstes wäre eine Katastrophe.“ Die Leistungen durch tariflich bezahlte Arbeitskräfte zu ersetzen sei kaum möglich. Die entstehenden Kosten beliefen sich auf gut das Doppelte einer Zivildienststelle.

Die Hilfsverbände setzen bereits auf Alternativen. So hat der Malteser Hilfsdienst seine Stellen für das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) im letzten Jahr von 50 auf 500 erhöht. Für Christoph Zeller ist das FSJ aber kein Ersatz. Viele FSJler seien Kriegsdienstverweigerer und machten das Jahr als anerkannten Ersatz zum Zivildienst: Wenn der Zivildienst abgeschafft wird, werden also auch diese FSJler wegfallen. Um das FSJ zu einer echten Alternative für Zivildienstleistende zu machen, seien erhebliche Verbesserungen nötig, sagt Zeller. Deshalb fordern die Malteser Anreize, zum Beispiel durch Studienplatz- oder Steuerbegünstigungen.