Zivildienst könnte schon 2008 entfallen

Wohlfahrtsverbände planen bereits für die Zeit danach. Schon ab Herbst könnte die Dienstzeit um einen Monat verkürzt werden. Die Zivildienstträger warnen vor Qualitätsverlusten in der Pflege. Sie halten Freiwillige nicht für einen guten Ersatz

VON ANDREAS SPANNBAUER

Der Zivildienst könnte in wenigen Jahren vollständig abgeschafft werden. Damit rechnen die Wohlfahrtsverbände für die nächsten Jahre. „Wir gehen von einer Aussetzung des Zivildienstes zum Jahr 2008 aus“, sagte Eberhard Evers, Referent beim Paritätischen Wohlfahrtsverband, gestern der taz. Schon im Oktober dieses Jahres könnte der Ersatzdienst auf neun Monate verkürzt werden, schätzt auch Bert Hinterkeuser, Zivildienstbeauftragter bei der Arbeiterwohlfahrt (AWO).

Das Familienministerium stellt sich schon seit letztem Jahr darauf ein, dass der Zivildienst abgeschafft werden könnte. Familienministerin Renate Schmidt (SPD) berief eigens die Kommission „Perspektiven für Freiwilligendienste und Zivildienst“, die am Donnerstag ihren Abschlussbericht vorlegen wird. Vertreter von Bund, Ländern und Zivildienstträgern geben darin Empfehlungen ab, wie der Ausstieg aus dem Zivildienst organisiert werden soll.

Familienministerin Schmidt widmet sich der Zukunft des Zivildienstes, weil sie die Abschaffung der Wehrpflicht für durchaus möglich hält – mit dem Dienst an der Waffe entfiele dann selbstverständlich auch der Ersatzdienst. Schmidt selbst rechnet mit einer mindestens fünfjährigen Übergangsfrist.

Die Wohlfahrtsverbände fürchten, dass sich ohne den Zivildienst die sozialen Leistungen verschlechtern könnten. „Es trifft vor allem die Pflegebedürftigen“, sagt Zivildienst-Experte Evers vom Paritätischen Wohlfahrtsverband. Schon jetzt fehle Personal – von schätzungsweise 160.000 Zivildienststellen seien knapp 65.000 nicht besetzt. Langfristig halten die Verbände zwar ein Ende des Zivildienstes für verkraftbar. „Das soziale System wird nicht zusammenbrechen“, meint Hinterkeuser. Trotzdem seien „Qualitätsverluste“ in der Versorgung zu befürchten.

Auch die familienpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Maria Eichhorn, wirft der Bundesregierung vor, einen „erheblichen Verlust an sozialen Leistungen“ in Kauf zu nehmen. Betroffen seien vor allem Krankentransporte, mobile soziale Hilfsdienste und Versorgungstätigkeiten in Heimen, wie Eichhorn warnt. Die jugendpolitische Sprecherin der Grünen, Jutta Dümpe-Krüger, nennt es dagegen einen „längst überfälligen Schritt“, den Zivildienst auf neun Monate zu verkürzen. Die Zivildienstleistenden seien endlich mit den Wehrpflichtigen gleichzustellen. Bei einer Abschaffung des Zivildienstes würde die Regierung jährlich rund 885 Millionen Euro sparen; diese Mittel sollten umgewidmet werden und in den Ausbau von Freiwilligendiensten und neue, sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze fließen.

Die Wohlfahrtsverbände hingegen zweifeln daran, dass die Millionen dann tatsächlich weiterhin vollständig im Pflegebereich eingesetzt würden. Die Zentralstelle für den Schutz von Kriegsdienstverweigerern rechnet zwar vor, dass mit dem Geld rund 60.000 neue Arbeitsplätze im Pflegebereich geschaffen werden könnten. Doch viele Zivildienstträger glauben nicht an diese Rechnung. „Neue Arbeitsplätze werden nicht im gleichen Umfang finanziert werden“, fürchtet Bert Hinterkeuser von der AWO. Er hofft, dass wenigstens „ein Teil der Mittel gerettet wird, um die Attraktivität von freiwilligen Diensten zu steigern. Es sei jedoch „illusorisch“, dass die Aufgaben, die derzeit von Zivis verrichtet werden, künftig von Freiwilligen abgedeckt werden. Hinterkeuser fürchtet einen Verlust von weichen Pflegefaktoren, die das Leben in Heimen erträglich machen: „Der nette Zivildienstleistende, den man aus der Schwarzwaldklinik kennt, fällt weg.“