Kriegspläne auch ohne Terror

US-Präsident George W. Bush soll bereits im Frühjahr 2001, kurz nach seinem Amtsantritt, erste Vorbereitungen zum Irakkrieg getroffen haben. Dies berichtet der Exfinanzminister Paul O‘Neill

WASHINGTON taz ■ US-Präsident George W. Bush hat den Sturz des irakischen Diktators lange vor den Terroranschlägen vom 11. September 2001 geplant. „Von Anfang an bestand die Überzeugung, dass Saddam Hussein eine üble Figur war und dass er wegmusste“, sagte Bushs ehemaliger Finanzministers Paul O’Neill in einem Interview am Sonntagabend mit dem US-Fernsehsender CBS. O’Neill wirbt zurzeit für ein neues Buch über die erste Hälfte von Bushs Amtszeit.

Bereits in den ersten drei Monaten nach Bushs Amtsantritt hätten sich Experten mit Militärstrategien gegen Irak und einer Nachkriegszeit ohne Saddam Hussein beschäftigt, sagte O’Neill. Die US-Regierung prüfte demnach schon im Frühjahr 2001 Möglichkeiten, Hussein zu stürzen. Dieses strategische Ziel sei im Kabinett nicht hinterfragt worden. Es sei immer nur darum gegangen, einen Weg dafür zu finden. In dem Buch mit dem Titel „Der Preis der Loyalität“ stützt sich der Exminister auf Dokumente, die belegen sollen, dass die Bush-Regierung schon vor drei Jahren Nachkriegsszenarien für den Irak durchspielte. Darin sei es um die Einrichtung eines Kriegsverbrechertribunals und die Wiederbelebung der Ölwirtschaft gegangen.

Der Sprecher des Weißen Hauses, Scott McClellan, wollte diese Angaben weder bestätigen noch dementieren. Er sagte allerdings, der irakische Präsident Saddam Hussein sei schon vor dem 11. September 2001 eine Bedrohung für den Frieden und die Stabilität gewesen und erst recht danach.

Aus dem Weißen Haus war bislang nur durchgesickert, Bush sei zwar bereits kurz nach den Terroranschlägen von neokonservativen Kabinettsmitgliedern zu einem Krieg gegen den Irak gedrängt worden, er selbst habe sich jedoch erst Anfang 2002 dafür entschieden. Grundsätzlich hat die Bush-Regierung nach dem 11. September nie einen Hehl daraus gemacht, in Bagdad einen „Regimewechsel“ anzustreben. Die angebliche Existenz irakischer ABC-Waffen lieferte jedoch erst das Hauptargument für den Krieg.

Das Buch von Exfinanzminister O’Neill beschreibt seine Erfahrungen im Bush-Team und ist eine deutliche Breitseite gegen seinen einstigen Dienstherrn, rechtzeitig platziert zum Beginn der heißen Wahlkampfphase. Bush hatte O’Neill Ende 2002 zum Rücktritt gedrängt, nachdem dieser öffentlich die Steuersenkungspolitik des Präsidenten kritisiert hatte. Wenn O’Neill schreibt, der Präsident habe Kabinettssitzungen „wie ein Blinder in einem Raum voll Tauber“ geleitet – eine Anspielung auf Bushs thematisches Desinteresse und seine mangelnde Kommunikationsfähigkeit –, dann hat er offenbar noch mehrere Rechnungen zu begleichen.

Unterdessen wächst die Kritik der irakischen Regierungsrats an der Entscheidung der US-Regierung dem gestürzten Staatschef Saddam Hussein den Status eines Kriegsgefangenen zu geben. Der irakische Justizminister im Regierungsrat, Haschim Abdul Rahman, bekräftigte die Entschlossenheit des Gremiums, selbst über das Schicksal von Saddam Hussein zu befinden. Die Erklärung des US-Verteidigungsministeriums zum Status des Expräsidenten sei eine politische Angelegenheit und eine reine Meinungsäußerung, aber keine juristische Entscheidung. „Wir betrachten Saddam als Verbrecher, und auf dieser Grundlage wird es einen Prozess gegen ihn geben“, sagte ein Mitglied des Regierungsrats.

Das US-Verteidigungsministerium erklärte, dass Saddam Hussein mit seiner Festnahme vor vier Wochen automatisch zum Kriegsgefangenen geworden sei. Schließlich sei er Oberbefehlshaber der irakischen Streitkräfte gewesen, erklärte ein Pentagon-Sprecher am Freitag. Die Genfer Konventionen verbieten jede Ausübung von Zwang auf inhaftierte Kriegsgefangene.

MICHAEL STRECK

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