Minister am Mast

Das Kindermuseum „Atlantis“ im Duisburger Innenhafen ist nach langer Planung endlich da. NRW-Kulturminister Michael Vesper hielt die Eröffnungsrede und rutschte, was der Anzug hielt

VON BORIS R. ROSENKRANZ

Sie kennen das vielleicht: Sie wollen ins Museum, müssen aber auf die Kinder aufpassen. Und die freuen sich natürlich riesig auf muffige Räume mit mäßigem Gepinsel. Erst kommt die Langeweile, dann miese Laune, und schließlich kippt er eben, der Bio-Rhythmus: Susanne oder Torben werden müde, plärren, wollen schnell nach Hause.

Doch seit dieser Woche hat Nordrhein-Westfalen ein Kindermuseum – wenngleich der Begriff Museum nicht recht passen will. „Atlantis“ ist vielmehr ein Erlebnispark, sozusagen die ganze Welt im Kleinformat. Beheimatet ist die versunkene Stadt in einem alten, 2.500 Quadratmeter großen Getreidespeicher im Duisburger Innenhafen. In Räumlichkeiten, die nichts haben von der trockenen Atmosphäre, in der Kunst sonst ihr Dasein fristet. Verrätselte Gemälde oder Skulpturen zu erklären, ist aber auch nicht Ziel der Ausstellung. Es geht um die Welt im Allgemeinen und die Stadt im Speziellen. Um Themen also, die schon mehrere Millionen Fragen aufwerfen. Artiges Benehmen und kühle Betrachtung ist nicht gewünscht, sondern Aktion und Entdeckergeist, kurz: „Learning by Doing.“ Schon nach den ersten Schritten gilt es, die Sinne zu öffnen: zu riechen, zu hören, zu fühlen, genau hin zu schauen. Nach amerikanischem Vorbild sollen Vier- bis Zwölfjährige hier spielerisch ihre Umwelt erkunden. Im Erdgeschoss können sie nach Schätzen graben, ins Schiffswrack krabbeln, eine Etage drüber ihr erstes Eigenheim bauen. Auf Tafeln wird erklärt, was gerade passiert: Zum Beispiel, wie aus Getreide Mehl wird oder aus alter Luft und Baum neuer Sauerstoff. Oben lockt die ach so aufregende Medienwelt, unten eine 120 Quadratmeter große Wasserlandschaft. Und, wie sollte es anders sein in der Welt des Superlativs: Auf dem Catwalk können sich die Kleinen im Flanieren üben. Die Aufpasser, hier „Scouts“ genannt, sind keine „Ruhe!“ zischelnde Anzugträger, sondern sich nahtlos in das Geschehen eingefügte Gestalten: Bauarbeiter und Polizisten, Hexen und Matrosen.

Der Weg zu dieser liebevoll gezimmerten Miniatur-Welt des Kindermuseums war lang. Die Idee existierte schon am Anfang des letzten Jahrzehnts. Von 1996 bis 1999 betrieb ein Kollektiv aus Kindern, Eltern und Pädagogen ein Modellprojekt in der Essener Zeche Carl. Obwohl diese Phase mit Erfolg gesegnet war, platzte die Fortsetzung, weil Essen keine Fördermittel übrig hatte. So zog die Gruppe nach Duisburg. Dort stellte dann die Stadt das Haus, das Land bezuschusste den Aufbau mit neun Millionen Euro und die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) gab 1,6 Millionen Euro. Der Tagesbetrieb muss nun selbst finanziert werden, was den Eintrittspreis von 7,50 Euro erklären mag.

Der Bio-Rhythmus wird hier jedenfalls auf Touren gebracht. Susanne und Torben plärren höchstens noch vor Begeisterung. Und dass das Konzept nicht nur Kids in seinen Bann zieht, war schon am Eröffnungstag zu beobachten: Gerade noch hatte Michael Vesper doziert, Kind zu sein habe nichts mit dem Alter zu tun, da erklomm der NRW-Kulturminister den zehn Meter hohen Schiffsmast, der die drei Etagen des Museums verbindet. Ganz Kind platzte er wenig später im zweiten Geschoss aus einer Tunnelrutsche. Wie immer direkt vor heißdrehende Fernsehkameras.

Atlantis KindermuseumInnenhafen DuisburgInfos: 0203-4499070