Späte Anklage

UNO klagt Indonesiens Exverteidigungsminister wegen Verbrechen in Osttimor an – mit wenig Erfolgsaussichten

BANGKOK taz ■ Erst dreieinhalb Jahre nach den Osttimor-Massakern während des Unabhängigkeits-Referendums 1999 hat die UNO gestern Anklage gegen den früheren indonesischen Verteidigungsminister und Armeechef Wiranto erhoben. Die UNO wirft dem General Verbrechen gegen die Menschlichkeit auf der einst von Indonesien annektierten Inselhälfte vor, teilte die zuständige UN-Sondereinheit gestern in Osttimors Hauptstadt Dili mit, wo die Klage bei einem Bezirksgericht eingereicht wurde. Angeklagt wurden auch Exgouverneur Abilio Soares und sechs Generäle, darunter Exgeheimdienstchef Zacky Anwar Makarim. Sie werden der Ermordung von mehr als eintausend Zivilisten und der Vertreibung von 200.000 Menschen beschuldigt.

Die auf 1.500 Zeugenaussagen beruhende Klage will das Gericht an Indonesiens Staatsanwaltschaft und Interpol weiterleiten. Sollte Interpol die Haftbefehle akzeptieren, könnte Wiranto kaum noch ins Ausland reisen. Auch dürfte sich damit eine Präsidentschaftskandidatur, mit der er immer wieder liebäugelt, erübrigen. Doch Kritiker bezweifeln, dass es überhaupt zum Prozess in Osttimor kommt. Indonesien werde die Anklage ignorieren, verkündete gestern Außenminister Hassan Wirayuda. „Wer gibt den UN eigentlich das Recht und die Befugnis, Indonesier anzuklagen?“, fragte er.

Das lange Zögern macht das Verhalten der UNO unglaubwürdig, zumal sie es bisher nur bei leeren Drohungen beließ, ein internationales Tribunal einzurichten, sollte Jakarta die damaligen Verbrechen nicht ahnden. Auf internationalen Druck richtete Indonesien schließlich ein Ad-hoc-Menschenrechtsgericht ein, das die hauptverantwortlichen Generäle aber nicht belangte. NICOLA GLASS