Häftlingsentsorgung auf Wiener Art

Österreichs Justizminister will Knast-Bau in Rumänien finanzieren, um so rumänische Inhaftierte loszuwerden

WIEN taz ■ Mit einer ungewöhnlichen Lösung will Justizminister Dieter Böhmdorfer (FPÖ) die hohe Zahl rumänischer Insassen österreichischer Gefängnisse loswerden. Er ließ unlängst mit dem Vorschlag aufhorchen, Österreich solle in Rumänien den Bau eines Knasts finanzieren. Rumänien müsste sich im Gegenzug verpflichten, verurteilte Straftäter dort unterzubringen.

Der Minister, der wie keiner seiner Vorgänger die Haftanstalten gefüllt hat, argumentiert vor allem mit ökonomischem Nutzen: „Derzeit kosten uns rumänische Häftlinge im Jahr 13,5 Millionen Euro. Die Errichtung eines Gefängnisses würde etwa drei Millionen Euro kosten. Das ist eine Einmal-Investition. Wenn man sehr vorsichtig rechnet, ersparen wir uns mindestens zehn Millionen Euro jährlich.“

275 rumänische Staatsbürger saßen zu Jahresbeginn in Österreich ein, die Mehrzahl in Untersuchungshaft. Nur 105 sind rechtskräftig verurteilt. Bei ausländischen Straftätern und Verdächtigen liegen sie im Spitzenfeld, übertroffen nur von Nigerianern und Menschen aus Exjugoslawien. Viele davon gehören organisierten Banden von Autoknackern oder Einbrechern an.

Laut Böhmdorfer verursacht ein Häftling tägliche Kosten von rund 100 Euro. Die Investition von drei Millionen für den Gefängnisbau würde sich also in weniger als einem halben Jahr amortisieren. Bedenken, dass die Straftäter in menschenrechtlich unsichere Verhältnisse abgeschoben würden, wischte der Minister gegenüber der Tageszeitung Der Standard vom Tisch: „Wir müssen gewährleisten, dass jene Täter, die in Österreich Straftaten begehen, auch wenn sie im Ausland verurteilt und die Strafen dort vollzogen werden, genauso behandelt werden wie in Österreich. Einen solchen Vertrag werden wir mit Rumänien abschließen.“ Im Falle Rumäniens, das ein ähnliches Rechtssystem besitze wie Österreich, sei dieser Anspruch eher zu verwirklichen als in Nigeria.

Obwohl der westafrikanische Staat mit mehr als 400 Häftlingen das größte Ausländerkontingent stellt, sei derzeit an einen Gefängnisbau in Nigeria nicht gedacht. In ein paar Jahren, so der Minister, würden solche Abkommen in der EU Standard: „Ich glaube, dass es in der EU selbstverständlich sein wird, dass Bürger, die außerhalb ihres Heimatstaates eine Straftat begehen, im Heimatstaat ihre Strafe absitzen.“ Nicht nur der Strafvollzug, auch das Strafverfahren könne ausgelagert werden.

Der Vorstoß des Ex-Haider-Anwalts wurde bisher sehr vorsichtig aufgenommen. ÖVP-Justizsprecherin Maria Fekter äußerte sich skeptisch. Hannes Jarolim von der SPÖ kann der Idee zwar einiges abgewinnen, doch die grüne Justizsprecherin Terezija Stoisits hält das Projekt für eine „völlig undurchdachte Idee“.

Seit die FPÖ mit Dieter Böhmdorfer den Justizminister stellt, wird mehr und schneller eingesperrt als je zuvor. Auch bei Bagatell- und kleinen Suchtgiftvergehen hat die Law-and-Order-Mentalität Einzug gehalten, wie Menschenrechtsorganisationen klagen. Mit der Zerschlagung des Jugendgerichtshofs – ein Vorbild, weil psychologische Betreuung, Sozialarbeit und Strafvollzug koordiniert und in einem Gebäude stattfanden – machte sich Böhmdorfer viele Feinde. Die Niederschlagung von Verfahren gegen Vertraute Jörg Haiders begründet er juristisch, doch der üble Nachgeschmack, dass bei der Anwendung der Gesetze zweierlei Maß angelegt wird, bleibt.

Böhmdorfer fühlt sich von Medien und Richterschaft unverstanden. Die Opposition begegnet ihm mit Skepsis, seit er Haiders Idee, Politiker, die die Regierung im Ausland schlecht machten, strafrechtlich zu belangen, für „verfolgenswert“ hielt.

RALF LEONHARD