Mindestens 725 Überfälle von Rechten

Zahl rechter Straf- und Gewalttaten stieg laut Innenministerium im Jahr 2002 an. Opferhilfsgruppen: hohe Dunkelziffer

BERLIN taz ■ Sowohl rechte Gewalt als auch Straftaten mit rechter Motivation sind im vergangenen Jahr angestiegen. Nach den vorläufigen Zahlen, die das Bundesinnenministerium auf eine parlamentarische Anfrage der FDP-Fraktion vorlegte, wurden im Jahr 2002 bundesweit 10.579 rechte Straftaten erfasst, das sind rund 500 Delikte mehr als im Vorjahr. Auch Gewaltdelikte mit rechtsextremer Motivation haben zugenommen. Statistisch gesehen ereigneten sich im vergangenen Jahr täglich zwei rechte Gewalttaten. Registrierten die Behörden im Jahr 2001 noch 709 einschlägige Gewaltdelikte, so verzeichnen die vorläufigen Zählungen für das vergangene Jahr 725 Gewalttaten.

Angesichts dieser vorläufigen Zahlen sei unverständlich, dass die CDU die ersatzlose Streichung der Bundesprogramme gegen Rechtsextremismus fordere, sagt Kay Wendel vom brandenburgischen Verein Opferperspektive, der Betroffene rechter Angriffe unterstützt. Verwundert ist Wendel darüber, dass das Bundesinnenministerium für das Jahr 2002 bislang kein einziges Tötungsdelikt mit rechtem Hintergrund registriert hat. Sowohl der Mord an einem 16-jährigen HipHopper aus Potzlow als auch der gewaltsame Tod eines 24-jährigen Russlanddeutschen in Wittstock werden von dem Verein als Tötungsdelikte mit rechter Motivation bewertet.

Kopfschütteln ruft die Statistik auch in Mecklenburg-Vorpommern hervor. Gerade einmal acht rechtsextremistische Gewalttaten sollen sich hier ereignet haben. Der Verein Lobbi e. V., dessen Mitarbeiter in drei Regionalbüros seit über einem Jahr Opfer rechter Gewalt in ganz Mecklenburg-Vorpommern unterstützen, hat dagegen nach eigenen Angaben in rund 50 Fällen Betroffenen beigestanden. „Allein im Regionalbüro Neubrandenburg wurden im Jahr 2002 19 Opfer rassististischer und rechter Gewalt betreut“, sagt Lobbi-Mitarbeiter Kai Bolick. Bolick verweist darauf, dass es über die bei Lobbi e. V. registrierten Fälle hinaus eine „nicht zu unterschätzende Dunkelziffer“ gebe.

Beim Schweriner Innenministerium möchte man sich zu den Berliner Zahlen derzeit nicht äußern. Kaum verwunderlich: Im Bundesverfassungsschutzbericht 2001 war Mecklenburg-Vorpommern nämlich das einzige Bundesland ohne rechte Gewalttaten, während das Landeskriminalamt im gleichen Zeitraum 40 einschlägige Delikte registriert hatte. Deshalb will man nun in Schwerin besonders gründlich zählen. HEIKE KLEFFNER