Streifen erfinden Mini-Diebe

Die Polizei im Ruhrgebiet meldet eine Flut von sogenannten Klau-Kids aus Roma-Familien. Belege für die Vorwürfe bleiben die Behörden allerdings schuldig: „Die Blagen stehlen schon seit Jahren“

VON ANNIKA JOERES

Die Polizei glaubt, dass sich das Ruhrgebiet vor Kindern fürchten muss. Montag Abend warnten die Ordnungshüter im Radio vor den sogenannten Klau-Kids der Roma-Familien. Die im Polizeijargon „MeM“, Abkürzung für „Mobile ethnische Minderheit“, genannten Minderjährigen seien jetzt von Köln aus ins Ruhrgebiet eingefallen. Zahlen zu dieser Vermutung gibt es allerdings in keiner Polizeistelle.

„Ach, das Problem mit den Roma haben wir doch seit dreissig Jahren“, sagt Thomas Weise, Sprecher der Mülheimer Polizei. „Die kommen immer ins Ruhrgebiet, schließlich können sie hier leichter klauen als auf der bayerischen Wiese.“ Roma-Kinder klauten in Geschäften und den Omas das Portemonnaie aus der Handtasche. Zentrum des harten Geschäfts, glaubt Weise, sei nach wie vor Köln, da „sitzen die Blagen ja alle“. Weise kann nicht sagen, wie oft die Kinder und Jugendlichen geschnappt wurden und wieviele Roma es jeweils waren.

Auch die Wuppertaler Polizei glaubt: „Die sind doch immer unterwegs.“ Die Kinder starten in Köln und „fallen dann ins Bergische Land ein“, sagt Sprecher Michael Bartsch. Statistiken führe die Polizei nicht darüber, aber „das ist nun einmal eine Tatsache.“ Für André Hartwich von der Düsseldorfer Polizei ist das „Roma-Problem“ älter und weiblich: „Das sind so jugendliche Frauen, die machen‘s jetzt in den Kneipen, haben immer Top-Fummel an, sehen supergut aus und beklauen die Gäste.“ In der Weihnachtszeit sei es besonders schlimm gewesen, bei soviel Publikum und soviel Geld. Natürlich will Hartwich keine „ganze Volksgruppe verunglimpfen“, aber es nütze ja auch nichts, „das zu verschweigen.“

Das „Problem“ tauchte zuerst vor vier Jahren in Köln auf, als die Polizei zusammen mit der regierenden CDU und konservativen Medien eine regelrechte Kampagne gegen die angeblich kriminellen Roma-Kinder lostrat, eine Einsatzgruppe mit dem Namen EK-Tasna (serbo-kroatisch für „Tasche“) gegründet wurde und Kinder und Jugendliche der Roma unter Generalverdacht standen. Die Minderjährigen wurden als Gruppe kriminalisiert, auf den Polizeiwachen wurden die Kids behandelt wie Schwerverbrecher.

Frank Plewka von der Bochumer Polizei findet Warnungen vor bestimmten Gruppen gefährlich. „Sie leiden dann jahrelang darunter.“ In den vergangenen Jahren habe der Diebstahl insgesamt zugenommen, aber natürlich würden die polizeilichen Statistiken nicht nach Ethnien unterschieden. „Das wäre auch absurd“, sagt Plewka. Probleme mit einer „ethnischen“ Statistik hat sein Kollege Achim Blättermann aus Duisburg nicht. Seit vergangenen Oktober seien „68 Prozent der gefassten Taschendiebe Ausländer“, sagt er. Bei einer mageren Aufklärungsquote von vier Prozent der knapp 950 Taschendiebstähle in diesem Zeitraum sind das 26 Personen ausländischer Herkunft. „Die Ausländer sind geschickter“, sagt Blättermann, das sei ja ganz klar. Dass die PolizistInnen bei ihnen besonders aufmerksam seien, allerdings auch.

„Bei Roma wird immer von einer Person auf alle geschlossen“, sagt Frank Gockel vom Flüchtlingsrat NRW in Essen. Geschichten über Roma würden in den Medien immer besonders aufgeblasen, und „wenn es auch nur um eine einzelne Person geht.“ Bis heute würden noch viele Vorurteile weiterbestehen. „Selbst aus der Nazizeit“, sagt Gockel.