Frei und ungezwungen entdecken

betr.: „Erzieher Mangelware“, taz vom 20. 10. 08

Ein guter Artikel über einen Berufsstand, der in unserer Gesellschaft wahrlich kein hohes Ansehen genießt, was sich zweifelsfrei auch an dem Einkommen ablesen lässt, das alles andere als attraktiv ist. Und doch bleibt mir nach der Lektüre ein schaler Nachgeschmack.

Vielleicht wegen des Zitats von Forschungsdirektor Pasternack: „In der Zeit zwischen null und sechs Jahren werden Kinder so geprägt, dass es sich auf die gesamte Bildungsbiografie auswirkt!“ Nein, welche Erkenntnis! Das ist Allgemeinwissen, und zwar seit man überhaupt begonnen hat, sich Gedanken über die Entwicklung von Kindern zu machen. Die Frage ist: Was folgt daraus? Ich befürchte Folgendes: Hoch kompetente Forschungsgruppen werden sich damit beschäftigen, welche Reize beim Kind welche Entwicklungsmöglichkeiten hervorrufen und dann wissen wir endlich, wie Kitas zu funktionieren haben: Analyse – Synthese – alles gut. Oder?

Zwei Fragen habe ich. Erstens: Ist von diesen Forschungen ein Ergebnis zu erwarten, das die Qualität eines kindlichen Heranwachsens in möglichst natürlicher Umgebung (Erlebnismöglichkeiten im Wald ohne Ende!) und in einem gesunden sozialen Umfeld übertrifft? Zweitens: Dürfen denn nicht mal mehr unsere Vorschulkinder geschützt werden vor unserem Wahn, jedes Tun mit einem Zweck zu belegen? Ist es noch erlaubt, einfach nur zu spielen, weil es Spaß macht? Ist vielleicht auch die Variante denkbar, dass Bildung einen Wert an und für sich haben könnte; ohne den Zweck der Konkurrenzfähigkeit und das Streben nach einem ordentlichen Managergehalt; einfach nur, weil es Freude machen könnte, zu wissen?

Das deutsche Bildungssystem steckt in der Dauerkrise. Wir tragen in keiner Weise der Tatsache Rechnung, dass Schule neben dem Bildungsauftrag auch einen Erziehungsauftrag hat. Mangels entsprechender Ideen dazu bleibt die Erziehung ein Stiefkind der Lehramtsstudiengänge. Ob allerdings die Lösung darin liegt, aus der Erziehungseinrichtung Kita eine Bildungseinrichtung zu machen, wage ich zu bezweifeln. Nicht zweifeln werde ich allerdings an dem gesunden Menschenverstand von vielen ErzieherInnen, die es hoffentlich schaffen, trotz der Errungenschaften der modernen Wissenschaft eine gute Arbeit zu machen und den Kindern zu vermitteln, wie viel Freude das Leben macht, wenn man es frei und ungezwungen entdecken kann. PETER BENNERSCHEID, Kirchlinteln