Kind ist nicht gleich Kind

Zum Beispiel Abdallah: Bremer Menschenrechtler kämpfen für die Rechte von Flüchtlingskindern

taz ■ „Es existieren zwei Klassen von Kindern: Deutsche und Ausländer“, stellt der Sprecher der Bremer Initiative „Kinder haben Rechte“, Matthias Westerholz, lapidar fest. Er verdeutlicht das am Beispiel des 16-jährigen Abdallah Loush Tusevo: Der Junge kam Anfang 2000 alleine aus Angola nach Bremen. Der damals Dreizehnjährige musste die übliche Alterseinschätzung der Behörden über sich ergehen lassen.

Der Sachbearbeiter schätzte Abdallah jedoch auf 16 Jahre. Für das Kind bedeutete das die Unterbringung in einer regulären Flüchtlingunterkunft für Erwachsene – ohne irgendeine zusätzliche Betreuung. „Das ist ein klarer Verstoß gegen die UN-Kinderrechtskonvention“, erregt sich Holger Diekmann von der Flüchtlingsinitiative Bremen. Nach Artikel 1 dieser Vereinbarung müsse jeder Mensch, der das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet habe, als Kind gelten. Dieser Grundsatz decke sich mit der deutschen Rechtslage.

Die Praxis sieht trotzdem anders aus. „Das Ausländerrecht ist meistens stärker“, sagt Westerholz. Flüchtlingskinder seien deshalb zahlreichen Diskriminierungen ausgesetzt. Holger Dieckmann hält auch die Jugendhilfe für eine „Mogelpackung“: „16- und 17-jährige Flüchtlinge werden von Angeboten ausgeschlossen, sie gelten ja nicht mehr als Kinder.“ Auch bei der Gesundheitsversorgung mangelt es. Angeblich darf ein Arzt in diesen Fällen nur bei akuten oder schmerzhaften Erkrankungen behandeln, sonst bleibt er auf den Kosten sitzen. „Das heißt zum Beispiel, dass ein Kind im Asylverfahren kein Hörgerät bekommt und in seiner Entwicklung verkümmert“, so Dieckmann. Viele Klagen in konkreten Fällen seien bislang gescheitert.

Ein erster Schritt ist die Vernetzung der Bremer Menschenrechtsorganisationen. Ihr einziges Instrument ist allerdings die Mobilisierung der Bremer Öffentlichkeit: In der Stadt sollen knapp 2.000 betroffene Kinder und Jugendliche leben. nik