Im Futtermittel diesmal: Dioxin

Wochenlang lieferte ein Thüringer Futtermittelhersteller dioxinbelastete Produkte aus. Von Schleswig Holstein bis Bayern, von den Niederlanden bis Sachsen – die Abnehmer sind weit gestreut. Tausenden Schweinen droht nun die Notschlachtung

aus Berlin NICK REIMER

Ein Jahr nach dem Nitrofenskandal gibt es was neues aus der Futtermittelbranche: den Dioxinskandal. Anders als vor Jahresfrist liegen die Dinge diesmal aber auf der Hand. Das Trockenwerk Thüringen in Apolda hat zwischen 20. November und 31. Januar 1.188,5 Tonnen Futtermittel ausgeliefert, die – zumindest in Teilen – mit hochgiftigem Dioxin belastet sind. Nachgewiesen wurden zwischen 4 und 13,3 Nanogramm je Kilo Futter, der Grenzwert liegt bei 0,75 Nanogramm. Dioxin schädigt das Immunsystem und erzeugt Krebs.

Nach bisherigen Kenntnissen des Thüringer Landwirtschaftsministeriums hat das Werk wochenlang einen defekten Trocknungsofen für nicht verkaufte Backwaren betrieben. Diese wurden dann zu Futtermittel verarbeitet. „Das Dioxin ist durch einen Fehler in der Abgasrückführung in den Produktionskreislauf gekommmen“, erklärte Thüringens Landwirtschafts-Staatssekretär Stefan Baldus. Entstanden war das Dioxin, weil die Anlage entgegen den Vorschriften mit nassen Holzschnitzeln befeuert wurde. Anfangs habe das Unternehmen von 20 Tonnen verseuchtem Produkt gesprochen, später von 250 Tonnen.

Jene Futterprobe, die erstmals erhöhte Dioxinwerte aufwies, war bereits am 4. Dezember vom Landesamt für Landwirtschaft entnommen worden. Am 19. Dezember traf sie im Bayreuther Labor ein, wurde dort aber wegen Weihnachtsferien erst Anfang Januar untersucht. Es habe keinen Verdacht gegeben, deshalb sei keine Eilprobe in Auftrag gegeben worden, so das Ministerium.

So ging ein bisschen was in alle Himmelsrichtungen: Mittlerweile liegen dem Ministerium die Lieferlisten vor. Zwei Schweinemastbetriebe wurden ebenso direkt beliefert wie zwei Mischfutterhersteller in Thüringen. Weitere Direktlieferungen sind an Unternehmen in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Hessen und den Niederlanden gegangen. 50 Tonnen Zwiebackbruch wurden bei einem Futtermittelhersteller im Bezirk Weser-Ems sichergestellt, weitere 25 Tonnen waren aus Niedersachsen an einen Futtermittelhersteller in Schleswig-Holstein weiter verkauft worden. Ministeriumssprecherin Petra Betz: „Insgesamt 954,3 Tonnen belastetes Futtermittel wurden ausgeliefert.“ Voraussichtlich müssen mehrere tausend Schweine geschlachtet werden, allein im Kreis Weimarer Land 3.000 Tiere.

Der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz erstattete gestern bei der Staatsanwaltschaft Erfurt Anzeige gegen den Apoldaer Futtermittelhersteller – genau wie das Thüringer Amt für Landwirtschaft bereits vor einer Woche. Gefahr für den Verbraucher dürfte nach Expertenmeinung aber nicht bestehen. Der Sprecher des Thüringer Gesundheitsministeriums: Wenn man die Maßstäbe der Weltgesundheitsorganisation zugrunde legt, müsste man 50 Jahre lang täglich 35 Kilo derart belastetes Schweinefleisch essen, um die Krebsschwelle zu erreichen.