Liberal im Denken und Abkupfern

Mark Ella ist FDP-Politiker aus Bremerhaven. Um sich in der Finanzmarktkrise als Marktliberaler zu profilieren, schreibt er munter bei Wirtschaftsprofessoren ab und schert sich nicht ums Urheberrecht

Mark Ella ist ein Liberaler, einer mit großem L, also einer von der FDP, wobei liberal, für gewöhnlich übersetzt mit „freiheitlich“, bei ihm nur ein anderes Wort ist für „lax“, was übersetzt wird mit „schlaff, lässig, locker, lau“. Nichts anderes als lax ist Ellas Umgang mit dem geistigen Eigentum Fremder, zumindest in einem jüngst bekannt gewordenen Fall, in dem sich Ella als strammer Marktliberaler im Kampf gegen die Finanzmarktkrise aufschwingen wollte.

Auf der Seite der Bremerhavener FDP, die Ella in der Bürgerschaft vertritt, verbreitete er seit dem 16. Oktober seine „Gedanken eines freien Bürgers“. Es geht um den Vertrauensverlust der Menschen in die Finanzwelt, und wie schädlich es sein kann, wenn der Staat für viel Geld die Spareinlagen garantiert. Weil dann, orakelt Ella, „Investoren andere Wertpapiere meiden und Zuflucht in die staatlich versicherten Anlageformen suchen“. Deshalb fordert er: „Mehr Markt und weniger Staat im Geldsystem.“ Für einen Liberalen wie Ella ist das nicht originell – aber eben äußerst lax, denn der FDP-Mann aus Bremerhaven, 38 Jahre alt, Diplom-Ingenieur und Mitglied des FDP-Bundesvorstandes, hat den Text, den er als seinen ausgibt, abgekupfert.

Ihm muss irgendwo die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) vom 12. Oktober in die Finger gekommen sein, dort las er die montägliche Kolumne „Der Montagsökonom“, die von Wirtschaftsprofessoren der Region bestückt wird, fand die Thesen gut und schrieb sie ab. Mit Punkt und Komma, aber ohne Anführungszeichen zur Kennzeichnung von Zitaten. So wurde aus einem Artikel eines Professors für Volkswirtschaftslehre der Universität Duisburg-Essen, Ansgar Belke, und seines Kollegen Thorsten Polleit von der Frankfurt School for Finance and Management ein echter Ella.

Der reagierte überrascht, als er darauf angesprochen wurde: Es sei ihm nicht bewusst, dass er da etwas falsch gemacht habe. „Wir Politiker sind ja nicht Experten auf jedem Gebiet, deswegen müssen wir uns an Experten orientieren“, fand er. Anführungszeichen bei Zitaten? Kennt er, hat er nachweislich verschiedener Redemanuskripte in der Bürgerschaft auch benutzt. Aber in dem Fall habe er den Text ja nur auf die Internetseite gestellt, quasi also „intern, nicht im großen Maßstab“. Ins Internet eben. Liest ja keiner.

Da er aber niemanden seiner Rechte berauben wolle, entfernte Ella den Text wenig später wieder. Die beiden Verfasser des Originaltextes wollten sich nicht äußern, sondern die Sache direkt mit Ella klären. Der FDP-Landesvorsitzende Uwe Woltemath, selbst als freier Journalist tätig, sagte: „Ich bin überrascht.“ Und wollte dem Fall nachgehen.

Stefan Schulte, WAZ-Redakteur und Betreuer der Kolumne, fand das „hochnotpeinlich“, freute sich aber, „wenn sich die FDP auf WAZ-Seiten Anregungen holt, dabei sollten Politiker aber wie Journalisten arbeiten und sauber zitieren“. FEZ