Schneller Fahrstuhl zum Sozialamt

Die Jugendämter sind durch die Kürzungen gezwungen, Jugendliche mit 18 statt mit 21 vom Betreuten Wohnen auf die Straße zu setzen. Oft führt das zum Abbruch der Ausbildung – und aufs Sozialamt. Der Spareffekt ist dann gleich null

„Stationäre Hilfen wie das Betreute Jugendwohnen sind in jedem Fall günstiger als etwa eine Heimunterbringung“, sagt Dietmar Schmidt, Jugendamtsleiter in Mitte. Ein Heimplatz koste im Schnitt 3.000 Euro im Monat. Trotzdem, so Schmidt, müssten sowohl das Land als auch die Bezirke nach den Vorgaben von Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) auch in diesem Bereich erheblich sparen. Einen ersten Schritt unternahm der Senat in aller Stille: Teenager im Betreuten Jugendwohnen erhalten seit dem 1. Januar nur noch den Sozialhilferegelsatz von 264 Euro monatlich.

Die Kürzungen seien weder pädagogisch sinnvoll noch den Jugendlichen rechtzeitig mitgeteilt worden, kritisiert Sabine Merz vom JugendWohnPlatz in Schöneberg. Proteste des Fachverbands Betreutes Jugendwohnen e. V., in dem 22 Träger mit rund 100 Jugendwohnprojekten und circa 600 Plätzen für Jugendliche im Alter von 15 bis 21 Jahren zusammengeschlossen sind, verhallten bislang jedoch ungehört. Dabei treffen die Kürzungen den gesamten Bereich „Hilfen zur Erziehung“ – nicht nur den Lebensunterhalt. Auch der Anspruch auf staatliche Hilfe, der im Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) festgeschrieben ist, besteht oft nur noch auf dem Papier.

Denn obwohl Jugendliche nach dem KJHG bis zum 21. Lebensjahr einen entsprechenden Anspruch haben, gehen die meisten Jugendämter inzwischen dazu über, bereits 18-Jährige aus dem Betreuten Jugendwohnen zu entlassen. Mit vielfach schwerwiegenden Konsequenzen: Der ungewollte Verlust einer vertrauten Umgebung bedeutet für die krisenanfälligen Jugendlichen nicht nur zusätzliche Instabilität. Oft folgt darauf ein Abbruch der Ausbildung.

Fachbereichsleiter Peter Schulz vom Jugendamt Mitte kritisiert, die Kosten würden lediglich vom Jugendamt zum Sozialamt verlagert. „Ob da tatsächlich gespart wird, ist fraglich.“

Da der Sparzwang im Bereich „Hilfe zur Erziehung“ auch Therapien, Familien- und Betreuungshilfen trifft, bahnt sich ein Teufelskreis an. Überforderte Familien oder Alleinerziehende erhalten immer weniger Unterstützung. Gleichzeitig werden die Angebote für Jugendliche, die einen Ausweg aus schwierigen familiären Verhältnissen und Gewaltsituationen suchen, rapide gestrichen. „Vor Beginn der Sparmaßnahmen war es selbstverständlich, dass den Jugendlichen mindestens ein Jahr Betreutes Jugendwohnen in einer Wohngemeinschaft angeboten wurde“, sagt Sabine Merz. Inzwischen prüfen die Jugendämter alle drei Monate neu, ob sie dem zustimmen können. „Die Wohngemeinschaften werden zu Durchgangsstationen, die Jugendlichen fühlen sich in einer permanenten Krisensituation.“ Die Betreuer selbst seien mit Lohnkürzungen, Kurzarbeit und Entlassungen konfrontiert.

Peter Schulz vom Jugendamt Mitte betont, der Rechtsanspruch auf „Hilfe zur Erziehung“ habe Vorrang vor der Haushaltslage. Wo er die 4,5 Millionen Euro, die er in diesem Bereich in den kommenden zwölf Monaten einsparen muss, kürzen soll, kann Schulz noch nicht sagen.

HEIKE KLEFFNER