Nach der Schlacht Kasse gemacht

Nach der Übernahme von Mannesmann durch Vodafone sollen sich Manager Millionenprämien zugesprochen haben – zum Nachteil der Aktionäre

von NICK REIMER

„Götterdämmerung der Deutschland AG“ – „Das Ende des Rheinischen Kapitalismus“. Endzeitstimmung verbreiteten jene Schlagzeilen, die vor drei Jahren das Ende des Düsseldorfer Mannesmann-Konzerns verkündeten. Gerade war dem britischen Mobilfunkkonzern Vodafone die feindliche Übernahme des deutschen Traditionsunternehmens gelungen. Zum Preis von 400 Milliarden Mark leisteten sich die Briten die teuerste und größte Fusion der Wirtschaftsgeschichte. Der Deal erschütterte auch das Selbstverständnis des hierzulande praktizierten Kapitalismus, nach dem traditionell gewachsene Strukturen, sozialpartnerschaftliche Absprachen und langfristige Strategien wichtiger sein sollen als kurzfristige Aktionärsinteressen.

Die Übernahme hat nun ein juristisches Nachspiel: Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf hat gestern Anklage „gegen sechs ehemalige Firmenchefs und Aufsichtsräte erhoben“, erklärte ein Sprecher – ohne allerdings Einzelheiten zu nennen. Im seit März 2001 laufenden Ermittlungsverfahren geht es jedenfalls um den Verdacht der Untreue beziehungsweise der Beihilfe zur Untreue. Mit insgesamt 200 Millionen Mark soll dem Management seinerzeit die Zustimmung erleichtert worden sein, allein Mannesmann-Chef Klaus Esser hat rund 60 Millionen Mark erhalten. Nach Angaben von Justizkreisen richtet sich die Anklage auch gegen IG-Metall-Chef Klaus Zwickel und Josef Ackermann, Vorstandschef der Deutschen Bank, den früheren Konzernbetriebsratsvorsitzenden, Jürgen Ladberg, den ehemaligen Aufsichtsratschef, Joachim Funk, und den einstigen Personalvorstand, Dieter Droste – alle ehemalige Aufsichtsratsmitglieder.

Esser erklärte gestern, es gebe „nicht den geringsten Verdacht für irgendein rechtswidriges Handeln“ seinerseits. Er habe „mit voller Kraft für die Mannesmann-Aktionäre gekämpft“. Mit der Höhe seiner Abfindung habe er kein Problem. „Ich bin der Meinung, dass die Höhe der Zuwendung am Erfolg des Managers gemessen werden soll.“ In Zahlen: Seine Anerkennungsprämie habe nicht einmal 0,2 Promille des Gewinns der Aktionäre ausgemacht.

„Essers Fall bewerten wir vorsichtiger“, erklärt Reinhild Keitel, Sprecherin der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre (SdK). Wenn es Untreue gegeben habe, so seitens der Aufsichtsräte – der fünf anderen Angeklagten. Das deutsche Aktienrecht besagt nämlich, dass deren Vergütung von der Hauptversammlung genehmigt werden muss. „Das waren die Sonderzahlungen aber nicht.“ Was, wenn die Summen nicht von Mannesmann, sondern von Vodafone gezahlt worden wären? Keitel: „Das wäre zwar moralisch fragwürdig, nach deutschem Recht aber nicht justiziabel.“

Rechtsanwalt Jörg Pluta, Experte der Deutschen Schutzgemeinschaft Wertpapierbesitz, sieht allerdings keinerlei Anzeichen, dass jemand anders als Mannesmann zahlte. „Der Aufsichtsrat hat Esser und sich selbst aus der Kasse der Gesellschaft selbst bedient“, so Pluta gegenüber der taz. Besonders ärgerlich sei das im Falle Funk – der vor Esser Mannesmann-Chef war. „Funk ließ sich im Nachhinein eine Prämie für seine Arbeit an der Konzernspitze zahlen, obwohl die dem Unternehmen eher geschadet als genutzt hat.“

Im Falle Esser kommt Pluta zu einem anderen Urteil als die Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre. Nur die Hälfte der Summe sei gerechtfertigt gewesen. Pluta: „Ein halbes Jahr vor der Übernahme war Essers Vertrag verlängert worden.“ Insofern stehe Esser die Hälfte der Summe als Abfindung zu. Die andere Hälfte aber sei schmutzig. Esser verdankt sie Li Ka Shing, Hongkongchinese und Chef von Hutchison Whampooa.

Als Mannesmann im November 1999 die britische Telefongesellschaft Orange kauft, kauft es auch ein 44-prozentiges Aktienpaket, das Li Ka Shing hält. In Absprache mit Esser tauscht der Chinese diese Anteile in Mannesmann-Papiere. Sein Gewinn: 11 Milliarden Mark. Damit ist Li Ka Shing nun einer der größten Einzelaktionäre bei Mannesmann – der mit Genuss verfolgt, wie der Kurs während der Übernahmeschlacht steigt und steigt. Anfang Februar lässt Li Ka Shing mitteilen, er wolle Essers gute Arbeit mit einer Prämie von 30 Millionen Mark honorieren. Danach, so will jedenfalls der WDR recherchiert haben, stimmt Esser der Übernahme zu (s. taz vom 16. 9. 2002). Li Ka Shing kann sein Mannesmann-Paket verkaufen. Gewinn: 10 Milliarden Mark.

Wäre diese Prämie tatsächlich aus privater Tasche geflossen, hätte man gegen sie nicht viel einwenden können, sagt Pluta. „Es gibt aber Anzeichen, dass der Aufsichtsrat die Prämie zahlte – aus Firmeneigentum.“ Zentrale Frage sei, ob es dafür einen Vertrag gegeben habe, der durch die Satzung gedeckt ist. Pluta: „Danach sieht es nicht aus.“

„Das Ende des Rheinischen Kapitalismus“ – eingefädelt ausgerechnet von einem reichen Honkongchinesen und einem Manager? Pluta räumt ein, dass es in Deutschland eine ganz eigene traditionelle Verflechtung von Aktionären und Gesellschaft gibt. Allerdings gehe es auf dem Kapitalmarkt um Angebot und Nachfrage. „Im Mannesmann-Fall stimmte einfach das Angebot.“ Die Übernahme sei „kapitalmarktgerecht abgelaufen“.

Esser hat bereits im Juli vergangenen Jahres wegen Rufschädigung und Amtspflichtverletzung Klage gegen die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft eingereicht. Er fordert Schadenersatz und Schmerzensgeld – in sechsstelliger Höhe. Ob es überhaupt zu einer Hauptverhandlung kommt, muss nun eine Wirtschaftsstrafkammer am Landgericht Düsseldorf entscheiden. Ein Sprecher: Dies werde „Monate dauern“.