Afrikas Killer sollen nach Den Haag

Erste Klage vor dem Internationalen Strafgerichtshof: Der Präsident der Zentralafrikanischen Republik, sein tschadischer Gardistenchef und ein Rebellenführer der Demokratischen Republik Kongo werden wegen Kriegsverbrechen verklagt

von DOMINIC JOHNSON

Der Internationale Strafgerichtshof hat noch vor seiner formellen Konstituierung seine erste Klageschrift erhalten. Wegen Kriegsverbrechen in der Zentralafrikanischen Republik verklagt die Internationale Liga für Menschenrechte (FIDH) in Paris den zentralafrikanischen Präsidenten Ange-Félix Patassé, den tschadischen Milizenführer Abdoulaye Miskine und den kongolesischen Rebellenchef Jean-Pierre Bemba. Letztere helfen Patassé beim Kampf gegen Rebellen, die zwei Drittel der Zentralafrikanischen Republik kontrollieren. Miskine kommandiert Patassés Präsidialgarde; Bemba hat aus dem Kongo rund 2.000 Mann zur Stärkung von Patassés Armee entsandt. Die FIDH hat zusammen mit ihrem lokalen Partner LCDH (Zentralafrikanische Liga für Menschenrechte) Kriegsverbrechen untersucht, die diese Koalition verübte, als sie im Oktober 2002 einen Rebellenangriff auf die Hauptstadt Bangui zurückschlug.

„Die Ermittler der FIDH haben fürchterliche Zeugenaussagen zahlreicher ziviler Opfer erhalten, die Bembas Männern systematische Plünderungen, Vergewaltigungen und Morde zuschreiben“, so die Menschenrechtler in ihrer Mitteilung über die Klageeinreichung vom vergangenen Donnerstag. In einem Untersuchungsbericht detailliert die FIDH Zeugenaussagen und Ermittlungsergebnisse, unter anderem über ein Massengrab außerhalb der Hauptstadt.

Der Internationale Strafgerichtshof soll am 11. März zu seiner konstituierenden Sitzung zusammentreten. Eine Vorverfahrenskammer und die – personell noch nicht besetzte – Anklagebehörde müssen dann über die Zulässigkeit der Klage entscheiden. Die Zentralafrikanische Republik hat das IStGH-Statut ratifiziert. Zwar hat nach dem Statut die nationale Gerichtsbarkeit Vorrang, aber die Menschenrechtler betonen, es gebe in der Zentralafrikanischen Republik keine unabhängige Justiz.

Die Klage kommt für Patassé zu einem delikaten Zeitpunkt, versucht doch Frankreich gerade, in der Zentralafrikanischen Republik zu vermitteln. Noch problematischer ist sie jedoch für Bemba, der im Kongo-Friedensvertrag von Dezember 2002 als einer von vier Vizepräsidenten des Landes vorgesehen ist und dort ebenfalls wegen Kriegsverbrechen in der Kritik steht.

Die Kämpfer der von Bemba geführten MLC (Kongolesische Befreiungsbewegung), die etwa das nördliche Drittel des Kongo kontrollieren, sollen nach Zeugenaussagen im Nordosten des Kongo zwischen Oktober und Dezember 2002 zahlreiche Gräueltaten begangen haben, bis hin zu Kannibalismus an Pygmäen. Sergio Vieira de Mello, UN-Hochkommissar für Menschenrechte, legte dem UN-Sicherheitsrat am Donnerstag die Ergebnisse einer UN-Untersuchungskommission vor, wonach die MLC zusammen mit zwei anderen Gruppierungen bei diesen Kämpfen unter anderem für 220 summarische Hinrichtungen, 95 Vergewaltigungen und „mehrere Fälle von Verstümmelung, gefolgt von Kannibalismus“ verantwortlich sei. In einer nachfolgenden Debatte wurde erwogen, MLC-Führer Bemba vor dem Internationalen Strafgerichtshof anzuklagen – was die FIDH gerade tat.

Bemba sieht die Vorwürfe als politisch motiviert an – tatsächlich ist angesichts von 2,5 Millionen direkten und indirekten Kriegstoten im Kongo seit 1998 ohne nennenswerte internationale Aufregung erstaunlich, dass ausgerechnet die jüngsten Verbrechen der MLC international hohe Wellen schlagen. Wenn nun die Klage gegen Bemba auch auf den Kongo ausgeweitet wird – die Demokratische Republik Kongo zählt ebenso wie die Zentralafrikanische Republik zu den Ratifiziererstaaten des IStGH-Statuts –, kann Bemba seine politischen Ambitionen begraben und Kongos Präsident Joseph Kabila wäre einen Rivalen los.

Die Klage gegen ihn wies Bemba gestern als „politisch motiviert“ zurück. „Soll doch jemand in diesem Gerichtshof behaupten, ich hätte auch nur ein einziges Mädchen in Zentralafrika vergewaltigt!“, sagte er. Unabhängig davon stehen ab heute in der MLC-Hauptstadt Gbadolite 27 MLC-Offiziere wegen Kriegsverbrechen vor einem Militärgericht. Zugleich begann die Rebellengruppe am Wochenende mit dem Abzug aus der Zentralafrikanischen Republik.

Auch Zentralafrikas Präsident Patassé weist die Klage gegen ihn zurück. In einer offiziellen Stellungnahme heißt es, die FIDH habe „einseitig“ ermittelt. Alle Kriegsparteien seien für den „mörderischen Wahnsinn, der dieses Land ergriffen hat“, verantwortlich. „Wenn man den Internationalen Strafgerichtshof schon zu seiner Geburt diskreditieren wollte, würde man genau so vorgehen“, heißt es. Regierungssprecher Gabriel Jean-Edouard Koyambounou sagte: „Wir sind ein organisierter Staat mit Institutionen. Der Staat wird sich organisieren und am Verfahren teilnehmen.“