FDP bremst Union aus

Im Zuwanderungsstreit zwingen die Liberalen CDU und CSU zu Kompromiss im Bundesrat

von LUKAS WALLRAFF

Bei den Grünen gab man sich gestern schadenfroh. „Heute liegen die Zähne von Herrn Beckstein im Gebüsch“, jubelte Volker Beck. Für den parlamentarischen Geschäftsführer der grünen Bundestagsfraktion war die Stellungnahme des Bundesrats zum rot-grünen Zuwanderungsgesetz eine klare Niederlage des bayerischen Innenministers Günther Beckstein (CSU).

Dessen Strategie sei es gewesen, „das Zuwanderungsgesetz in sein Gegenteil zu verkehren“. Doch dafür habe er selbst im unionsdominierten Bundesrat keine Mehrheit gefunden, freute sich Beck. Auf Druck der FDP hatte die Union ihre 137 Änderungsanträge zurückgezogen und auf ein kategorisches „Nein“ zu dem rot-grünen Gesetz verzichtet. Nun ist wieder der Bundestag an der Reihe. Beck sagte der taz, Rot-Grün sei zu Verhandlungen über Gesetzesänderungen erst dann bereit, „wenn endlich klar ist, was die Union wirklich will“.

Gestern wurde erst einmal deutlich: Die Union kann trotz ihrer großen Wahlerfolge bei den Landtagswahlen im Bundesrat nicht ganz allein entscheiden. Die FDP hat sich zurückgemeldet. In Baden-Württemberg wurde der Widerstand der Liberalen gegen die harte Linie der Union organisiert. „Für eine Blockadepolitik bei der Zuwanderung wird die FDP nicht die Hand reichen“, kündigte die Stuttgarter Justizministerin Corinna Werwigk-Hertneck am Donnerstag an. Die Union müsse „begreifen, dass sie ohne die FDP im Bundesrat nicht mehrheitsfähig ist“.

Das hat sie wohl. In dem gemeinsamen Antrag, den die Mehrheit der CDU/FDP-regierten Länder schließlich verabschiedete, ist von grundsätzlicher Ablehnung nicht mehr die Rede. Auch die weiter gehenden Forderungen der Union nach Verschärfungen beim Staatsbürgerschaftsrecht landeten erst mal wieder in der Schublade. Union und FDP einigten sich auf eine Kompromissformel, die keine Details enthält. Stattdessen heißt es darin vage: „Der vorliegende Gesetzentwurf bedarf insgesamt einer umfassenden Überarbeitung in den Bereichen Zuwanderung und Integration.“ Das lässt allen Seiten Spielraum für Interpretationen.

„Mein Optimismus bleibt bestehen, dass wir zu einer Einigung kommen können“, sagte Bundesinnenminister Otto Schily (SPD), der keine großen inhaltlichen Unterschiede mehr zwischen Union und Regierung erkennen wollte. Dem widersprach die Union jedoch entschieden. Die gestern beschlossene Stellungnahme sei nicht als Zugeständnis zu verstehen, betonte der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU). „Sie werden, ohne dass Sie sich auf die Union zubewegen, einen Konsens nicht erreichen können“, warnte er Rot-Grün.

Die FDP möchte auch im Bundestag eine Vermittlerrolle spielen. Doch ob es zu einem Konsens kommt, hängt vor allem von den Volksparteien ab. Nur sie können eine Mehrheit in beiden Parlamenten herstellen.

Zumindest die Industrie will darauf nicht mehr lange warten. BDI-Geschäftsführer Ludolf von Wartenberg forderte erneut „möglichst schnell“ eine flexible und unbürokratische Regelung der Arbeitsmigration.

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