Verhinderte Abenteuer

Wladimir Kaminer präsentiert in „Die Reise nach Trulala“ neue Erzählungen mit absurden Drehs im Plauderton

Als US-Präsident Bush noch wegen seiner Brezel-Affäre Medienthema Nr. 1 war, zog Wladimir Kaminer in der Johannes B.Kerner-Show offenherzig die Parallele zum ständig lädierten russischen Präsidenten Jelzin. Nachzulesen in Kaminers letztem Erzählungsband Die Reise nach Trulala: „So einen Bush hatten wir in Russland fast zehn Jahre lang gehabt. Bei uns hieß er Jelzin und war ein Weltmeister in Sachen Selbstverstümmelung.“

Kaum mal offen ironisch, scheinbar naiv und dabei immer ehrlich verwundert – das sind die Markenzeichen von Kaminers Geschichten. Seit 1990 lebt der gebürtige Moskauer in Berlin. Dort schuf er im Kaffee Burger die Russendisko – Titel seines ersten Erzählungsbandes. In taz und FAZ begann er das Publikum mit seinen Alltagsbeobachtungen aus der Perspektive eines Zugewanderten zu beglücken. Immer im flockigen Plausch – so bekommt bei ihm noch jede Erzählung unvermeidlich eine komplett absurde Note.

Mit Die Reise nach Trulala hat Kaminer vergangenes Jahr fünf neue Geschichten vorgelegt, aus denen er heute Abend im Abaton lesen wird. Der Band versammelt fünf mehr oder weniger verhinderte Reisen, versucht von Kaminer selbst oder seinen Freunden. Die Herren Bush und Jelzin tauchen in der letzten und auch schönsten Geschichte auf. „Verdorben in Sibirien“, so der Titel, erzählt aber eigentlich von einem grünen Bundestagsabgeordneten. Sein Ziel: Mit dem Rad nach Swetlogorsk – im Zeichen des Friedens. Reine Idiotie, denkt sich Kaminer, und schließt mit seiner Frau eine Wette ab. Bis zum Ausgang dieser Wette rapportiert der Radler die unwahrscheinlichsten Begebenheiten.

Kaminer füttert das Ganze an mit noch erstaunlicheren Fakten über russische Eigenarten.

In „Verschollen auf der Krim“ liefert Kaminer unter anderem eine wundervolle Persiflage auf Reisen nach dem Motto „Auf den Spuren von...“. Hier trifft es die Beuys-Anhänger, die es an den Ort seines Flugzeugabsturzes 1944 zieht. Die spitzfindige Lokalbevölkerung aus der Siedlung Torlala oder auch Turlala ist natürlich gewappnet. Typisch Kaminer, dass daraus ohne ein Wort der Erklärung Trulala wird. Man muss ja auch nicht immer wissen, worum es ursprünglich ging. Anders als seine früheren, pointierteren Geschichten, aber in bester Erzählmanier: Die Reise nach Trulala ist aberwitzig, leicht verdaulich und unbedingt unterhaltsam. Liv Heidbüchel

Wladimir Kaminer: Die Reise nach Trulala, 168 S., 18 Euro, Manhattan Verlag; Lesung: heute, 22.30 Uhr, Abaton