Klage gescheitert

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte erklärt Recht zu einer anonymen Geburt in Frankreich für zulässig

FREIBURG taz ■ Anonyme Geburten bleiben in Frankreich zulässig. Dies entschied gestern der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Er wies damit eine Klage der Pariserin Pascale Odièvre, die Informationen über ihre biologische Familie erhalten wollte, zurück. Die Entscheidung fiel allerdings recht knapp aus – mit zehn zu sieben Richterstimmen.

In der Geburtsakte von Odièvre, die vor 37 Jahren geboren wurde, steht als Name der Mutter nur ein „X“. Ihre Mutter machte damit von einem Gesetz Gebrauch, das 1941 eingeführt wurde und im Wesentlichen heute noch gilt. Um Kindstötungen zu verhindern und um Frauen in Not bei der Geburt eine gute medizinische Betreuung zu sichern, können Kinder in Frankreich anonym geboren werden. Rund 600 Babys kommen pro Jahr so auf die Welt.

„Ich will wissen, warum meine Mutter mich weggegeben hat“, erklärte Odièvre zur Begründung ihrer Klage. Sie habe erfahren, dass sie noch drei Brüder habe, die bei den leiblichen Eltern bleiben konnten. Doch Odièvre, die sich seit 16 Jahren in psychiatrischer Behandlung befindet, kann mit ihrer Mutter keinen Kontakt aufnehmen, denn diese will anonym bleiben.

Auch vor dem Straßburger Gerichtshof, der über die Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention wacht, hatte die Französin nun keinen Erfolg. Die Richter erkannten zwar an, dass das „Recht auf Privatleben“ auch die Kenntnis der Umstände der eigenen Geburt umfasst. Dieses Recht sei jedoch gegen andere Interessen abzuwägen: die Interessen der Mutter, die ihre Anonymität wahren wolle, und auch gegen den Lebens- und Gesundheitsschutz. Am Ende billigte das Gericht dem französischen Gesetzgeber bei dieser heiklen Frage einen „Einschätzungsspielraum“ zu.

CHRISTIAN RATH

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