Biopost und Lockangebote

Trotz des Nitrofenskandals stieg der Umsatz der Naturkost-Großhändler im Jahr 2002. Einer dominiert den Markt. Kritiker warnen vor unkontrolliertem Wachstum

LÜNEBURG taz ■ Im Nitrofenjahr 2002 haben die 21 Naturkost-Großhändler in Deutschland einen Umsatz von 410 Millionen Euro erwirtschaftet. Nicht schlecht: Im Vergleich zum nitrofenfreien Jahr 2001 waren das immerhin 1,5 Prozent mehr. Die meisten Naturkost-Großhändler besitzen einen regionalen Aktionsradius. Mit einer Ausnahme: die Versorgungs GmbH Dennree. Sieben Auslieferungszentren, über 500 Beschäftigte hat das Unternehmen aus dem fränkischen Töpen bei Bayreuth. Im Angebot sind 7.500 Produkte, mit denen ein Jahresumsatz von rund 170 Millionen Euro erwirtschaftet wird. Von den etwa 2.400 deutschen Naturkostläden beziehen 1.500 einen Teil ihrer Waren von Dennree.

Die Mittel, mit denen Dennree den Markt beherrscht, ähneln denen konventioneller Branchenriesen: Franchise-Systeme, Kredite für Ladengründer oder vorgegebene Mindestumsätze, die kleine Bioläden dazu bewegen, ganz auf Dennree zu setzen. Aber das Unternehmen dominiert nicht nur den vorhandenen Markt, es versucht auch, neue Märkte zu erschließen. Ein Weg dorthin ist das „Biopost“ genannte Werbekonzept mit aufwendigen Anzeigen in Stadtmagazinen und Lokalzeitungen. Durch sie sollen Kunden gewonnen werden, die die Schwelle in den Naturkostladen noch nicht überschritten haben. Dazu schließen sich Bioläden einer Region zusammen und werben gemeinsam mit günstigen Angeboten. Ein Kilo Äpfel gibt’s für 1,99 Euro, den Liter Milch für 99 Cent und das Pfund Kaffee nicht aus fairem, aber ökologischem Anbau für 4,99 Euro. Zum gleichen Preis wird ein Kilo Trauben aus Südafrika eingeflogen. Alles in Bioqualität.

Das Werbekonzept stammt von einem ehemaligen Rewe-Mitarbeiter. Die teilnehmenden Bioläden tragen die Hälfte der Anzeigenkosten, Dennree den Rest. Die Preise für die beworbenen Produkte reichen an die konventioneller Lebensmittel heran. Doch es sind Lockangebote, die nicht beworbenen Produkte entsprechen dem üblichen Preisniveau der Bioläden.

Die Werbekooperation ist nicht der einzige Grund für Bioläden, sich an Dennree zu binden. Gegenüber anderen Großhändlern ist Dennree auch ein scharfer Preiskonkurrent. Bioimporte aus Polen und der Ukraine machen es möglich. Großhändler, die ausschließlich auf heimische Produkte ökologischer Anbauverbände setzen, können da oft nicht mithalten. Trotzdem sind nicht alle Bioläden mit den günstigen Importen glücklich. „Der Inhalt ist Dennree ganz egal, Hauptsache, es steht Bio drauf“, schimpft etwa Andreas Kraft, Inhaber des Bioladens Yo-man in Hamburg. Vor zwei Jahren war er noch Kunde von Dennree. Dann fand die Zeitschrift Ökotest heraus, dass Tomatenmark mit Schimmelpilzgiften belastet war. Offensichtlich waren verschimmelte Biotomaten zu Mark verarbeitet worden. Für Dennree kein Grund, den Artikel aus dem Sortiment zu nehmen. Andreas Kraft aber reichte es. Er reklamiert für sich und viele seiner Kollegen: „Wir sind nicht billig, aber uns kann man vertrauen.“ Bioläden verkörpern für ihn auch ein alternatives Wirtschaftskonzept. Bei Dennree aber sei der blanke Kapitalismus eingezogen. Wachstum um jeden Preis – wohin das führt, ist für ihn klar. Kraft: „Wenn auch die Naturkostszene nur noch auf den Preis setzt, bleiben Ereignisse wie der Nitrofenskandal nicht aus.“ PHILIPP HORSTMANN

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