Tarifstreit könnte bald geschlichtet sein

Die Gewerkschaften und der Senat nähern sich im Konflikt um die Tarife im öffentlichen Dienst an. Lösung in Sicht

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Gepflegtes Abstandhalten. So traten die Tarifparteien nach der ersten Verhandlungsrunde am gestrigen Freitag vor die Öffentlichkeit. Innensenator Ehrhart Körting (SPD), als Verhandlungsführer des Landes Berlin, nahm mit hochrotem Kopf neben seinem Tarifkontrahenten Roland Tremper von der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di Platz. Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (PDS) betrat den Raum mit kurzer Verspätung, blies angestrengt durch die Lippen aus, setzte sich und sagte fortan nichts mehr. Es sei lediglich, betonte Körting vorsichtig, ein weiteres Sondierungsgespräch gewesen.

Doch so konträr, wie allgemein vermutet, scheinen die Verhandlungspartner gar nicht mehr zueinander zu stehen. Der rot-rote Senat und die DGB-Gewerkschaften verständigten sich auf einen möglichen Weg zur Einigung. Es werde über eine Kompensation verhandelt, hieß es von beiden Seiten, die einen Verzicht auf Tarifsteigerungen bei entsprechender Arbeitszeitverkürzung vorsehe. Damit könnte der bundesweit geltende Tarifabschluss von Potsdam auch in Berlin umgesetzt werden.

Als Kompensation gelte eine Reduzierung der Arbeitszeit von drei bis vier Stunden pro Woche, deutete Körting an. Das bedeute „weniger Arbeit für mehr Leute“.

Mit diesem Verhandlungsschritt lenkten die Gewerkschaften auf die Linie des SPD-PDS-regierten Senats. Der hatte diesen Weg bereits in den Solidarpaktgesprächen und in seinem Angebot vom 17. Januar vorgezeichnet. Tremper bestätigte, man habe missverständliche Punkte ausgeräumt. Aber: „Bundestreue bleibt das Ziel“, sonst werde man nicht weiterreden.

Die Idee den bundesweiten Tarifabschluss, der in Potsdam ausgehandelt wurde, durch Arbeitszeitverkürzungen zu kompensieren, bezeichnete er aber als „diskussionswürdigen Vorschlag“. Dem schloss sich Ulrich Töhne, Vertreter der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), an. Gewerkschaften und Senat ließe dieser Kompromiß also Gesicht wahren.

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Insbesondere der DGB hatte auf eine Übernahme des Potsdamer Abschlusses gedrängt, um zu verhindern, dass sich Berlin von der Gehaltsentwicklung abkoppele. Ver.di hatte deshalb gestern zeitgleich eine Verbandsklage gegen den „Blitzausstieg“ des Landes aus der Tarifgemeinschaft der Arbeitgeberverbände beim Berliner Arbeitsgericht eingereicht. ArbeiterInnen im öffentlichen Dienst der Hauptstadt haben nach Ansicht von Ver.di jedenfalls weiterhin einen Anspruch auf die in Potsdam beschlossenen Lohnerhöhungen. Körting entgegnete knapp: „Wir sehen einer Klage mit ruhigem juristischem Gewissen entgegen.“ Außerdem beträfe das „nur ein Fünftel“ der im öfentlichen Dienst beschäftigten.

Nicht allen Gewerkschaftern behagt das Taktieren. Gestern demonstrierten rund 100 Mitglieder von Ver.di, GdP und GEW vor dem Innensenat. Sie verlangten Lohnerhöhungen in Höhe des Bundestarifs. CHT