Ehrung des Vitalen

„Mit dem Pinsel gesehen“: Japanische Zeichnung und Malerei aus der Sammlung Schack im Museum für Kunst und Gewerbe

von LISA MONK

Der achtjährige Gerhard Schack hatte keine Ahnung, wer dieser Hokusei war, dessen Zeichnung „Mond über Pflaumenbaum“ er 1938 in Begleitung des Vaters in einem Hamburger Antiquitätengeschäft entdeckte. Auch der Antiquar wusste nicht viel über den japanischen Zeichner und Holzschneider, von dem er einige Blätter liegen hatte, und so verkaufte er sie sehr billig.

Damit wurde der Grundstock einer Sammlung gelegt, die heute 1.500 Zeichnungen und Malereien aus Japan umfasst. Das Museum für Kunst und Gewerbe zeigt daraus gut 260 Tuschezeichnungen, Gemälde und Holzschnitte aus dem 17.–20. Jahrhundert. Dieser Zeitraum umfasst die Edo-Periode (etwa 1615–1868), die geprägt war durch die völlige Abgeschlossenheit Japans gegenüber dem Rest der Welt, während im Inneren Phasen von restriktiver und polizeistaatlicher Gewalt herrschten. Zwei Strömungen lassen sich in der Edo-Periode unterscheiden: die höfische Ästhetik, die in der Kaiserstadt Kioto unter Einfluss chinesischer Malerei entstand; andererseits die Kunst aus Edo, heute Tokio, wo das Bürgertum an Bedeutung gewann und man dem Modernen gegenüber aufgeschlossen war.

Im Zentrum der Ausstellung stehen eine Handvoll wichtiger Künstler: Hanabusa Itchô (1652–1724) stammte aus Edo und zeichnete das Leben der einfachen Bevölkerung. Aufgrund einer im Bild formulierten Kritik am Shogun wurde er für 12 Jahre auf eine Insel verbannt. Utagawa Kuniyoshi (1798–1861) wurde zu einem der vielseitigsten Vertreter seiner Zeit in Edo. Er sammelte westliche Kunst und würdigte die Helden der Geschichte Japans in dynamischen Bildergeschichten. Von ihm sind auch Farbholzschnitte zu sehen, deren Skizzen, erste Andrucke und vollendete Drucke von der engen Zusammenarbeit zwischen dem entwerfenden Künstler und dem fertigenden Drucker zeugen.

Die „ukiyo-e“ – Bilder der „fließend-vergänglichen“ Welt – genannten Farbholzschnitte entstanden in Edo als bürgerliche Gegenbewegung. Sie waren auf Szenen aus dem Vergnügungsviertel und Porträts der hoch verehrten Kabuki-Schauspieler spezialisiert. Aber auch Heldensagen und zunehmend Satire mischten sich in die Darstellungen vermeintlich harmloser Szenen. Kuniyoshis Schüler Kawanabe Kyôsai (1831–1889) etwa beschäftigte sich ebenfalls mit historischen Figuren, entwickelte aber zunehmend Gefallen an satirischen Äußerungen, wofür er 1870 inhaftiert wurde.

Der Ausstellungstitel Mit dem Pinsel gesehen deutet an, dass die gezeigten Künstler ihre Kunst perfektionierten, um das Lebendige zu kopieren. Ihr Naturalismus suchte das „innere Wesen der Dinge“ zu erfassen, wie zahlreiche Quellen überliefern. Die Liebe für das Detail, für symbolische Szenen aus der Natur, Studien von „Pflanzen und Tieren“ oder auch „Landschaften und Steinen“ dokumentiert die Ausstellung in zwei eigenen Räumen. Da gerinnt auf jedem Blatt der Mikrokosmos einer Blüte oder eines Hummers zu gemalter Poesie, die das Vitale verehrt. Selten gezeigte Alben mit Zeichnungen oder Holzschnitten zeugen von ihren unterschiedlichen Zweckbestimmungen: Mal wurden sie als kostbare Bilderbücher verkauft, mal waren es Skizzenbücher, mal dienten sie als Vorbilder zum Abzeichnen.

Viele Blätter sind von künstlichen Wesen bevölkert, die durchaus an Mangas erinnern – die sind nämlich keine Erfindung des 20. Jahrhunderts, sondern entstanden, als phantastische Gestalten in der volkstümlichen Religion Japans eine große Rolle spielten. Gerade als Japan sich zum abgeschlossenen Polizeistaat entwickelte, flüchtete sich dann so mancher Künstler in Phantasie-Welten und ließ die Dämonen regieren.

Di + Mi, Fr–So 10–18 Uhr, Do 10–21 Uhr, Museum für Kunst und Gewerbe; bis 30. März; begleitende Japanische Filmnacht: Sa, 20 Uhr, Spiegelsaal