Aufklärer am Mikro

HipHop im Big-Band-Format mit schnittigen Bläsersätzen: Die Youngblood Brass Band tritt heute Nacht im Icon auf

Im HipHop scheint momentan mal wieder alles sehr kompliziert zu sein. In den USA gibt es gerade eine Menge junger HipHop-Acts, die HipHop nicht in Konservatismus erstarren lassen wollen, sondern versuchen, ihn wieder aufregend und spannend zu gestalten. Interesse wird ihnen dafür aber vor allem in Europa entgegengebracht. Was paradox ist: Denn in diesem Underground will man an die Grundideen der aufklärerischen Black-Power-Bewegung anknüpfen und versteht sich so als Regulativ zum US-HipHop-Mainstream und seinem Money-Making. So erstaunlich es klingen mag: Diese HipHop-Szene ist näher dran an St. Pauli und den Goldenen Zitronen als an Beverly Hills und Puff Daddy.

Auch die Youngblood Brass Band entstammt dieser Szene. Auch für sie muss Musik immer mehr sein als nur Musik. Sie will, dass ihre Musik die Welt idealerweise zu einer besseren macht. So sind die Youngbloods, deren erstes Album „Center:Level:Roar“ Ende März erscheint, in erster Linie keine Musiker, sondern die Gründer und Leiter der Non-Profit-Organisation Layered. Diese besteht aus einem Netzwerk aus Künstlern, Politaktivisten, Schriftstellern, Lehrern und Musikern und hat sich in Zusammenarbeit mit lokalen New Yorker Communitys zur Aufgabe gemacht, Jugendliche leichter in Kontakt mit Kultur, Musik und Büchern zu bringen. Erst dann kommt der HipHop, der mit Nelly oder anderen Schmuserappern nichts zu tun haben will. Teacher-Rapper wie Saul Williams oder Mike Ladd sind die Vorbilder der Youngbloods.

Dennoch wäre das ganze Youngblood-Brass-Band-Projekt nur halb so viel wert, wenn ihre Musik nicht auch noch die vielleicht ungewöhnlichste, wenn nicht aufregendste Hip Hop-Mixtur seit der des Anti-Pop-Consortium wäre. Erst mal ist da die Besetzung: sechs Bläser, zwei Drummer, ein Sousaphonist und ein MC. Wo sonst gibt es so was? Normalerweise wird es schon als Sensation gefeiert, wenn eine HipHop-Combo mal einen Schlagzeuger mit auf Tour nimmt und nicht alles den DJ machen lässt. Diese hier kommen gleich als komplette Big Band mit doppelter Rhythmus-Batterie auf die Bühne! Und den DJ sparen sie sich gleich ganz.

Das Ergebnis sind dann Bläsersätze, die man im Jazz-Sprech wohl „schnittig“ nennen muss, die immer eine gewisse Süffigkeit haben und gerne Latin-Grooves auffahren, also voll zum Mitschunkeln einladen. Gerappt wird nur selten, was angesichts nur mangelhafter MC-Fähigkeit vielleicht auch besser ist. Und egal ist es sowieso. Denn allein für die Erfindung des Genres „Big Band-Hip Hop“ muss man die Youngblood Brass Band lieben. ANDREAS HARTMANN

Heute, 23 Uhr, Icon, Cantian-/Ecke Milastraße, Prenzlauer Berg