berliner szenen Zimmersuche

Nach dem WG-Casting

Jetzt, da es in den Straßen wieder nach Kohleofen riecht, kann man sich auf der Suche nach einer Herberge ein wenig wie die vertriebenen Eltern von J. fühlen. Die hatten es damals ja auch ganz schwer, weil sie keiner aufnehmen wollte. „Damit ist nicht zu spaßen“, jammert K. „Stimmt, das ist Blasphemie“, sage ich. Und K. sagt: „Nee, das ist die Hölle.“ K. meint damit, dass es heutzutage schwerer denn je ist, in eine Wohngemeinschaft aufgenommen zu werden. „Wenn man keine Austauschstudentin aus Frankreich ist, muss man zumindest eine neue Waschmaschine als Mitgift vorweisen können.“

Letztens hat man K. bei einem WG-Casting-Termin in Prenzlauer Berg gefragt, ob sie denn sportlich sei. Nach einem Blick an die Küchenwand, an der ein Poster der milchschnitteteilenden Klitschkos hing, hat K. entschieden genickt. Zur Bekräftigung hat K. den Hauptmieter zum Armdrücken aufgefordert. Blöd war, dass der sich darauf einließ. Noch blöder, dass K. ihn nicht gewinnen ließ. K. hat die Hoffnung, zum Recall eingeladen zu werden, nun aufgegeben. Stattdessen hat sie in einer 5-Zimmer-Wohnung in Kreuzberg behauptet, gut kochen zu können, und in einer 3-Zimmer-Wohnung in der Gegend, die manche Kreuzkölln nennen, über die pissgelbe Flurwand geschwärmt.

„Die WG-Suche hat mich zur Lügnerin gemacht. Ich habe mich verbiegen lassen!“, sagt K. deswegen. Voller Wut lässt sie ihren Zeigefinger auf die Enter-Taste sausen und schickt eine weitere Anfrage ins Netz. Meine Bemerkung, dass freie Zimmer zu Semesteranfang rar sind und dass sich da jeder ein bisschen verbiegt, lassen ihre Augen aufblitzen. Sie spannt auch ihren Bizeps an. Ich wünsche K. und unserer Freundschaft, dass sie bald ein Zimmer findet. LENA HACH